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Antike Sprache im Internet

Das Sabäische wird ähnlich wie Latein oder Altgriechisch längst nicht

mehr gesprochen. Dank der Arbeit Jenaer Orientalisten erwacht die

antike Sprache jedoch zu neuem Leben und wird im Internet lebendig.

S A B Ä I S C H E T E X T E

T E X T: S E BA S T I A N H O L L S T EI N

Niemand kann heute genau sagen, wie

es sich anhörte, wenn sich zwei Bewoh-

ner der Arabischen Halbinsel vor fast

2 000 Jahren unterhielten. Denn: Die

Sabäer, die Bewohner des legendären

Reiches der Königin von Saba ganz im

Süden der Halbinsel, haben die Vokale

in ihrem Alphabet nicht ausgedrückt.

Nur wenige Wissenschaftler weltweit

können die Schriftsprache dieser anti-

ken Hochkultur heute noch lesen und

in moderne Sprachen übersetzen. Zu

ihnen gehört Prof. Dr. Norbert Nebes

von der Universität Jena. Damit die

überlieferten Texte nicht nur einem klei-

nen Expertenkreis, sondern einer mög-

lichst breiten Öffentlichkeit zugänglich

werden, bringen Nebes und sein Team

das Sabäische nun ins 21. Jahrhundert:

Seit einigen Wochen sind die Forscher

mit einem »Sabäischen Wörterbuch« im

Internet präsent. Nutzer von überall auf

der Welt sollen künftig unkompliziert

auf Tausende altsüdarabische Quellen

zugreifen können. Noch befindet sich

das Wörterbuch im Aufbau, auch eine

englische Version ist geplant.

Anders als andere Werke dieser Art

ist das Wörterbuch nicht alphabetisch

aufgebaut, sondern behandelt nachein-

ander einzelne Textgattungen. Jede ein-

zelne der überlieferten Inschriften wird

von der verantwortlichen Bearbeiterin

Dr. Anne Multhoff eingepflegt. Die

entsprechende Software entwickelt hat

Heiko Werwick. Insgesamt haben die

Jenaer Wissenschaftler eine Datenbank

mit etwa 10000 altsüdarabischen Texten

zusammengestellt. Mehr als 1 300 Ein-

träge enthält das Wörterbuch bereits,

alle weiteren folgen in den kommenden

sechs Jahren.

Es sind sowohl Widmungen für die

verschiedenen sabäischen Gottheiten,

die teilweise ganze Kriegsberichte ent-

halten, als auch Rechtstexte und Bau-

inschriften. Sogar Briefe auf kleinen

Holzstäbchen befinden sich unter den

schriftlichen Zeugnissen, die uns aus

dem Reich der Sabäer geblieben sind.

Der Jenaer Saba-Experte hofft darauf,

dass sich durch das Wörterbuch die

weltweite Forschung auf diesem Gebiet

besser vernetzt. »Die sabäischen Quel-

len sind vor allem für Altertums- und

Islamwissenschaftler,

Orientalisten

und Theologen interessant«, sagt er.

»Wir würden uns freuen, wenn die Be-

nutzung des neuen Standardwerks den

Kreis der Wissenschaftler, die damit ar-

beiten, näher zusammenbringt.«

Tatenbericht des Herrschers Yitha'a-

mar erstmals vollständig übersetzt

Nebes selbst hat sich aktuell mit der

Übersetzung eines äußerst »gewich-

tigen« sabäischen Textes befasst, der

auch in das Wörterbuch Eingang fin-

den wird und kürzlich in Buchform er-

schienen ist. Der Epigraphiker legte die

erste Übersetzung des Tatenberichtes

des Yitha'amar, eines sabäischen Herr-

schers, aus dem ersten Jahrtausend v.

Chr. vor. »Mit 49 Metern Text und ins-

gesamt 328 Wörtern ist diese Inschrift

der größte epigraphische Fund, der

jemals auf der Arabischen Halbinsel

Orientalist Prof. Dr. Norbert Nebes gehört zu einem

überschaubaren Kreis von Wissenschaftlern, die die

sabäische Sprache heute lesen können. Über deren

Aussprache kann auch er nur spekulieren.