Lichtgedanken 05

S C HW E R P U N K T 23 05 | LICHT GEDANKEN Bild links (v. l.): Doktorand Martin Rabel, Prof. Dr. Dagmar Fischer und Doktorand Paul Warncke untersu- chen im Projekt »Biologische Elimination komplexer diagnostischer Nanopartikel« (NanoBEL) Langzeit- effekte von Nanopartikeln. Dazu nutzen sie Blutge- fäße in befruchteten Hühnereiern als Modellgewebe. Bild rechts: Martin Rabel begutachtet die wenige Tage alten befruchteten Hühnereier, die in einem Brutschrank gelagert werden. ihre Arbeit, um Informationen darüber zu bekommen, wie sich Nanopartikel in einem Gefäßsystem verhalten. Doch wie gelangen die kleinen Teilchen in die feinen Blutbahnen des Eis? Paul Warncke hat dafür ein vier Tage altes Ei aus dem Brutschrank geholt und sich an ein Mikroskop gesetzt. Die gefüllte Pe- trischale stellt er auf den Objektträger. Ein grelles Licht strahlt sie von unten an. Martin Rabel bringt ein Kistchen, in dem aufgereiht Ampullen stecken. Sie haben zur Identifizierung unterschied- lich farbige Deckel und sind mit Kle- beetiketten versehen. Darin befinden sich die Nanopartikel. Die Flüssigkei- ten in den kleinen Plastikgefäßen sind hell- oder dunkelbraun. »Wir untersu- chen hier vor allem unterschiedliche Ei- senoxidpartikel, die in der Regel braun- schwarz sind«, sagt Rabel. Tiefes Blau strömt durch rote Äder- chen umgeben von leuchtendem Gelb Die Flüssigkeit mit den Partikeln lässt sich problemlos in eine Spritze aufzie- hen, die am vorderen Ende eines Mi- kroinjektors befestigt wird. Der kleine Apparat hat eine Kanüle an der Spitze. Da sich das Braun der Nanopartikel mit bloßem Auge nur schwer vom Rot des Blutes unterscheidet, haben sich die beiden Nachwuchswissenschaftler zu Demonstrationszwecken heute für eine Methylenblau-Lösung entschieden. Warncke blickt durch das Okular des Mikroskops und hält währenddes- sen den Injektor wie einen Stift in der rechten Hand. Langsam nähert er sich mit der Nadel dem Ei, durchstößt den Dotter und injiziert zwei Mikroliter der blauen Flüssigkeit direkt in die zum Herzen hinführende Vene. Die Operation am offenen Ei erinnert an Gefäßchirurgie. »Es ist nicht einfach, die Vene genau zu treffen und dabei nicht durch sie hindurchzustechen«, sagt Warncke. Das Tempo und die Zielge- nauigkeit lassen erahnen, dass er diesen Versuch schon häufig durchgeführt hat. Nach und nach verbreitet sich das Blau von der Einstichstelle ausgehend im Adernetz. Wäre stattdessen die braune Partikellösung zum Einsatz gekommen, würden jetzt Millionen Nanoteilchen durch die Adern fließen. Wie sie sich verhalten, das schauen sich die beiden Forscher unter dem Mikroskop genauer an – erst im Stundentakt, später im Ab- stand von Tagen. Zudem fotografieren sie regelmäßig das, was sie sehen. Etwa zehn Partikeltypen lassen sich durch- schnittlich innerhalb einer Woche so erfassen. Die Untersuchungen sind deshalb so umfangreich, da ein Partikel in der Re- gel aus einem Kern und einer Hülle besteht. Für beide gibt es verschiedene Ausgangsmaterialien. Den Kern umgibt ein Polymer, das sein Innerstes schützt, den Transport durch den Körper erleich- tert und die Verträglichkeit begünstigt. Gemeinsam bilden die beiden Bestand- teile ein Nanosystem mit bestimmten Eigenschaften, die sich allerdings von denen unterscheiden, die die Stoffe auf- weisen, wenn sie voneinander separiert sind. Und auch wenn sie im Verbund in den Körper gelangen, so können sie dort zerfallen, entweder unerwünschterwei- se beim Transport durch den Körper oder wenn der Partikel sein Ziel erreicht hat und abgebaut wird. Darüber hinaus lagern sich in Kontakt mit Körperflüs- sigkeiten Proteine und andere organi- sche Bausteine auf dem Nanopartikel ab und bilden eine sogenannte Biomo- lekül-Korona, die ihm eine völlig neue biologische Identität gibt und etwa die Toxizität der Nanopartikel, Wechsel- wirkung mit Zellen und Verteilung im Körper beeinflussen kann. Im Idealfall verbessern diese Veränderungen die Wirkung des Nanopartikels, nicht selten stören sie aber auch. In jedem Fall be- deutet diese Vielzahl an Möglichkeiten viel Laborarbeit für die Wissenschaftler. Während Warncke Kleinstteilchen in das Ei injiziert, setzt sich Rabel mit ei- nemweiteren Ei in der Petrischale neben ihn. Er interessiert sich für die Oberflä- che des Präparats. In der rechten Hand

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