Lichtgedanken 05

Rubrik 45 05 | LICHT GEDANKEN wird, hat eine neue Qualität gewonnen«, sagt Dörre. »Verstärkend kommt hinzu, dass die AfD etwa mit dem national- sozialen Flügel um Björn Höcke gezielt versucht, die soziale Frage zu besetzen und mit völkischem Gedankengut auf- zuladen.« Im Osten verstärken zudem die andauernde Lohnungleichheit und die Veränderung der Bevölkerungs- struktur die Rechtstendenzen. Abgrenzung und offene Auseinandersetzung sind notwendig Die Gewerkschaften selbst suchen noch nach einer Strategie, um diese Proble- matik anzugehen. Zwar bezieht immer noch eine deutliche Mehrheit ihrer Mit- glieder gegen rechtspopulistische Ori- entierungen Stellung. Dennoch befin- den sich die Gewerkschaften in einem Dilemma: »Einerseits müssen sie be- »Wir beobachten eine Verfestigung von Deutungsmustern, durch die man zu den betreffenden Personen nicht mehr argumentativ vordringen kann«, erklärt der Jenaer Soziologe. »Im Vergleich zu unserer Vorgängerstudie müssen wir außerdem feststellen, dass sich Anhän- ger der rechtspopulistischen Strömun- gen als die wahren Demokraten be- trachten.« Während sie dem demokratischen Parlamentarismus innerhalb der Vor- gängerstudie noch mit Vorbehalten be- gegneten, plädieren sie nun für mehr di- rekte Demokratie. Allerdings definieren sie den Begriff des Volkes nicht über die Zugehörigkeit zu einem Staat, sondern zu einer Ethnie. »Die Radikalität, mit der die Soziale Frage, also der Konflikt zwischen Unten und Oben, in einen Konflikt zwischen Innen und Außen – also etwa zwischen sogenannten Bio- deutschen und Migranten – umgedeutet fürchten, Mitglieder zu verlieren, wenn sie sich klar von rechtspopulistischen Positionen distanzieren«, erklärt Dör- re. »Grenzen sie sich andererseits nicht ab, dann bestehen die rechtsorientierten Mitglieder möglicherweise verstärkt auf die politische Neutralität der Ge- werkschaften, was für Druck von links sorgen dürfte.« Doch die Arbeitnehmervertretungen sollten offen die Auseinandersetzung suchen und klar machen, dass völki- sches Gedankengut ein Sprengsatz für jede gewerkschaftliche Solidarität sei, die nur geschlechter-, ethnien- und nationenübergreifend funktionieren könne, ist Dörre überzeugt. »Die Ge- werkschaften müssen ihre Mitglieder in die Lage versetzen, schlagkräftig gegen rechtspopulistische Positionen argumentieren zu können, um sie zu se- zieren und das Demagogische dahinter offenzulegen.« Bild links: Plakat bei einer Demonstration gegen einen Aufmarsch des fremdenfeindlichen Pegida-Ablegers Thügida in Jena. Wie Soziologen beobachten, finden rechtspopulistische Parteien und Gruppierungen überdurchschnittlich viele Anhänger unter Arbeitneh- merinnen und Arbeitnehmern. Bild rechts: Arbeitssoziologe Prof. Dr. Klaus Dörre hat die aktuelle Studie geleitet. Kontakt Prof. Dr. Klaus Dörre Institut für Soziologie Carl-Zeiß-Straße 3, 07743 Jena Telefon: +49 36 41 9-45 521 E-Mail: klaus.doerre@uni-jena.de www.soziologie.uni-jena.de Original-Publikation: Arbeiterbewegung von rechts? Motive und Grenzen einer imaginären Revolte, Berliner Journal für Soziologie (2018), DOI: 10.1007/ s11609-018-0352-z

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