Lichtgedanken 05

Rubrik 47 05 | LICHT GEDANKEN Schwefel findet sich überall auf der Erde: sowohl in der Atmosphäre als auch in den Weltmeeren und an Land. Seine Erscheinungsformen sind in ei- nem Kreislauf miteinander verbunden. »Aus einem Mineral wird das chemi- sche Element Schwefel zunächst re- duziert und in eine organische Form transferiert, anschließend von Organis- men herumgereicht, bis es schließlich in die Atmosphäre gelangt und gelöst im Regen auf das Land und in die Meere zurückkehrt«, erläutert Chemiker Prof. Dr. Georg Pohnert den globalen Schwe- felkreislauf. Er und sein Team vom Ins- titut für Anorganische und Analytische Chemie haben nun gemeinsam mit Kollegen aus den USA in diesem schon lange bekannten Kreislauf eine »Abkür- zung« entdeckt. Entscheidend dafür sind winzige Or- ganismen im Plankton des Ozeans. »Wir haben herausgefunden, dass be- stimmte einzellige Algen und Bakteri- en, die als Teil des Planktons im Meer existieren, eine neue chemische Ver- bindung mit dem komplizierten Na- men Dimethylsulfoxoniumpropionat, kurz DMSOP, produzieren«, sagt Poh- nert. »Damit haben wir wertvolle In- formationen über den globalen Schwe- felkreislauf abgeleitet und wir können jetzt enorme Mengen im Schwefelfluss neu erklären. Auch wenn eine Mi- kroalge nur verschwindend kleine Mengen der Verbindung produziert, sprechen wir hier in der Summe von mehreren Teragramm, also mehreren Milliarden Kilogramm pro Jahr.« Denn die einzelligen Algen sind in den Welt- meeren ungeheuer aktiv. Mit den Be- funden der Jenaer Chemiker lässt sich somit der Schwefelkreislauf der Erde besser nachvollziehen, was wichtige Erkenntnisse für Atmosphären- und Klimamodelle liefert. Ausgeklügeltes System als Stressschutz für Algen Doch die Forschungsergebnisse bieten nicht nur Informationen für das Ver- ständnis des Schwefelkreislaufs. Einen Grund für die Produktion des DMSOP fanden die Wissenschaftler, indem sie untersuchten, wie sich die Algen an ihre Umgebung anpassen. »Die Einzeller sind im Meer permanent in Bewegung und somit immer wieder unterschied- lichen Salzgehalten und oxidativem Stress ausgesetzt«, erklärt Pohnert. »Die neue Verbindung zeigt nun, wie dieser Stress mit einem ausgeklügelten System an chemischen Umsetzungen ausgegli- chen werden kann.« Eine Möglichkeit dafür ist, selbst Salze zu produzieren und abzubauen. DMSOP spielt dabei eine Schlüsselrolle. Für ihre Forschung haben die Jena- er Wissenschaftler, deren Arbeit vom Sonderforschungsbereich »Chem- BioSys« (s. S. 10) unterstützt wurde, Wasserproben aus unterschiedlichen Regionen der Ozeane untersucht, um herauszufinden, ob die Produktion der schwefelhaltigen Verbindung ein welt- weites Phänomen ist. »Wir haben von der Arktis bis zum Mittelmeer in allen Proben DMSOP gefunden«, informiert Prof. Pohnert. »Überall sind also die Produzenten der schwefelhaltigen Ver- bindung zu finden.« Die Chemiker der Universität Jena ha- ben durch diese neuen Ergebnisse wich- tige Informationen darüber gewonnen, wie mikrobielle Gemeinschaften im Ozean funktionieren und sehen auch konkreten Bezug zur Anwendung. »Al- gen werden immer häufiger in Aqua- kulturen gezüchtet, sowohl als Fut- ter- oder Nahrungsmittel als auch als Energiequelle. Deshalb ist es wichtig, deren Stoffwechsel umfassend zu ver- stehen«, sagt Chemiker Pohnert. »Die aktuellen Einblicke zeigen uns einmal mehr, welch unglaublich komplexes und gut funktionierendes System im Plankton verborgen liegt.« Kontakt Prof. Dr. Georg Pohnert Institut für Anorganische und Analytische Chemie Lessingstraße 8, 07743 Jena Telefon: +49 36 41 9-48 170 E-Mail: georg.pohnert@uni-jena.de www.chemgeo.uni-jena.de/iaac Original-Publikation: The metabolite dimethylsulfoxonium pro- pionate extends the marine organosulfur cycle, Nature (2018), DOI: 10.1038/s41586- 018-0675-0 Bild links: Prof. Dr. Georg Pohnert inspiziert Algenkulturen, die in einem speziellen Container gezüchtet werden. Bild rechts: Die Aufnahme der Weltraum­ agentur NASA zeigt die Menge an Chlo- rophyll, das von marinen Algen produziert wird, in den Weltmeeren. Außerdem stellen die winzigen Algen enorme Mengen der schwefelhaltigen Substanz DMSOP her.

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