Lichtgedanken 06

S C HW E R P U N K T 31 06 | LICHT GEDANKEN So habe Haeckel beispielsweise häufig nur »Mein lieber Freund« als Anrede verwendet, und wenn der Briefum- schlag fehle, dann müsse man aus dem Folgenden erschließen, wer damit über- haupt gemeint war. »Manchmal ist das richtige Detektivarbeit«, sagt Bach. Meister des Small Talk Überhaupt war Haeckel meist sehr vertraut mit seinen Briefpartnern. »Er konnte sehr gut Small Talk – die Über- gänge zwischen Privatem und Beruf- lichem sind dementsprechend häufig fließend«, sagt der Editionsleiter. So dis- kutierte er mit seinem engsten Freund und Lehrer Carl Gegenbaur einerseits wissenschaftliche Themen, erinnerte ihn dann aber auch noch daran, seine Blumen zu gießen. An seinem Post- verkehr lässt sich auch die Wirkung von Haeckels Wissenschaftspopula- risierung ablesen. Denn der Natur- forscher bemühte sich, Wissenschaft verständlich zu vermitteln, wodurch er ein großes Publikum ansprach. Und diese Leserschaft meldete sich auch postalisch. Bewunderer drückten ihre Anerkennung aus, baten um ein Auto- gramm oder fragten nach Lektüretipps. Der Biologe war bemüht, jedem dieser Wünsche nachzukommen. Das Jenaer Forscherteam steht ebenfalls in dieser Tradition. Alle edierten Briefe werden im Internet frei zugänglich sein. Mitte Mai waren bereits 6 537 Brie- fe online verfügbar, jährlich sollen 2 000 weitere folgen. Im Frühjahr erschien zudem der zweite Band der Druckaus- gabe mit Familienbriefen von 1854 bis 1857 (s. S. 36). Kontakt Dr. Thomas Bach Institut für Zoologie und Evolutionsforschung Ernst-Haeckel-Haus Berggasse 7, 07743 Jena Telefon: +49 36 41 9-49 503 E-Mail: thomas.bach@uni-jena.de www.ehh.uni-jena.de Weitere Informationen: Die Online-Edition der Briefe von und an Haeckel ist im Internet zu finden unter: haeckel-briefwechsel-projekt.uni-jena.de Brief von Ernst Haeckel an seine Eltern vom 27. Oktober 1852. Der 18-Jährige hatte gerade sein Medizinstudium in Würzburg aufgenommen. Der Brief beginnt folgendermaßen: »Liebste Eltern! So eben habe ich das erste Menschenblut von meinen Händen, in die ich mich merkwürdiger Weise nicht geschnitten habe, abgewaschen, und beeile mich nun, euch die erste Nachricht von hier zu geben. ....« Das vollständige Transkript ist in der Online-Briefedition nachzulesen.

RkJQdWJsaXNoZXIy OTI3Njg=