FSU Newsletter 06

16 FSU-Newsletter/Winter 2017 Abseits vom Mainstream „Geschichte ist wie Science Fiction, nur rückwärts.“ Mit die- sem Satz erklären vier Jenaer Wissenschaftler ihr Buch „Ge- schichte der Pädagogik“, das das Potenzial hat, die Erziehungs- wissenschaft hierzulande künftig als Standardwerk zu prägen. Denn wie der Blick in die ferne Zukunft ist uns auch die Vergangenheit ein Spiegel, in dem wir uns, unser Wesen und unsere Kultur neu betrachten und verorten können. „Normalerweise wird die Geschichte der Pädagogik in unseren Breiten sehr euro- pazentriert erzählt“, sagt Prof. Dr. Dr. Ralf Koerrenz, der gemeinsam mit Dr. Karsten Kenklies, Dr. Hanna Kauhaus und Dr. Mat- thias Schwarzkopf das Buch geschrieben hat. Doch überall auf der Welt werden Kin- der erzogen, gehen zur Schule und eignen sich Wissen an. „Historische Pädagogik und globale Bildung bedingen sich – und wir wollen diese Verbindungen anschau- lich offenlegen“, erklärt Koerrenz den neuen Ansatz. Mit ihm wolle man in der eigenen Wissenschaftsdisziplin ein State- ment setzen. Zudem wollte er die Lehre in Jena mit Literatur unterlegen, die es bislang nicht gab. Deshalb war es Koerrenz und seinen Kollegen wichtig, das Buch sehr zugänglich zu gestalten und durchaus auch für Laien attraktiv zu machen. sh Bibliographische Angaben: Ralf Koerrenz, Karsten Kenklies, Hanna Kauhaus, Matthias Schwarz- kopf: Geschichte der Pädagogik, Verlag Ferdinand Schöningh, Pader- born 2017, 322 Seiten, Preis: 22,99 Euro, ISBN 978-3-82-524524-5 Flucht und Integration Flucht, Asyl und Integration bergen erhebliche gesellschaftli- che Herausforderungen und stellen damit die Rechtssysteme sowohl der Europäischen Union als auch der Nationalstaaten vor ganz neue Fragestellungen. Es herrscht also Klärungsbe- darf – und genau dem sind die Juristen der FSU 2016 während einer Ringvorlesung nachgekommen. Inzwischen ist der Sam- melband, der die verschiedenen Beiträge zusammenfasst, er- schienen. „Uns ist es wichtig, die Diskussionen rund um das Thema Flucht und Migration auf eine sachliche Ebene zu ho- len, was nicht heißt, dass meine Kollegen und ich untereinan- der nicht kontrovers diskutiert haben“, sagt die Herausgeberin des Buches, Prof. Dr. Martina Haedrich. So widmet sich Prof. Dr. Harald Dörig, Bundesverwaltungsrichter und Honorarpro- fessor an der Universität Jena, der Frage der Kontigentierung von Flüchtlingen und der damit verbundenen Forderung nach einer Obergrenze. „Uns ging es bei den Beiträgen auch darum,Wertvorstellun- gen zu thematisieren und ihre Etablierung in Normen zu un- tersuchen“, sagt Haedrich. Auch weitere Beiträge gehen vor al- lem aufThemen zur Integration ein, etwa wie sie das Arbeitsrecht, das Familienrecht oder das Strafrecht berührt. Deutschland ist ein Einwanderungsland, in dem Diskussionen über solche Fragestellungen un- abhängig von markanten Flüchtlingsbewegungen wie der im Herbst 2015 geführt werden sollten. sh Bibliographische Angaben: Martina Haedrich (Hg.): Flucht, Asyl und Integration aus rechtlicher Perspektive, Mohr Siebeck, Tübingen 2017, 280 Seiten, Preis: 74 Euro, ISBN 978-3-16-155458-2 Neue Bücher Laien in der Altenpflege Was in der Biologie Parasitismus heißt, könnte man in der Soziologie mit Ausbeutung betiteln. Seit den 1980er Jahren wurde der Begriff recht stiefmütterlich behandelt, doch Dr. Tine Haubner nutzt ihn nun ganz bewusst. In ihrer Dissertation „Die Ausbeutung der sorgenden Gemeinschaft. Laienpflege in Deutschland“ beleuchtet die Soziologin die Ausbeutungssitua- tion in der deutschen Pflege. „Basal gesagt bedeutet Ausbeu- tung, dass sich eine Gruppe Vorteile auf Kosten einer anderen verschafft“, erklärt Haubner. Als ausgebeutet betrachtet sie un- geschulte Kräfte in der Altenpflege. ‚Nutznießer‘ sei der Staat, der das Geld nicht in die professionelle Pflege investiert. „Die Laienpflege ist in Deutschland schon immer ein wesentlicher Stützpfeiler gewesen“, erzählt Haubner. Sie glaubt, „dass die Pflegepolitik darüber hinaus seit Ende der 90er gezielt Laien- pfleger rekrutiert mit dem Ziel der Kosteneinsparung.“ Ihrer Meinung nach kann Laienpflege professionelle Pflege nicht ersetzen, nur komplettieren: „Laienpfle- ger sollten nicht in die Lage kommen, tatsächlich zu pflegen, sie sollen betreuen und für die Pflegefälle da sein – aus einem Zustand der Sicherheit heraus und nicht aus einem des Mangels.“ Denn beispielsweise steige das Armutsrisiko an, wenn man für Angehörige sorgt. Angesichts massiv steigender Pflegekosten in der Zukunft fordert sie in ihrer Publikation ein Umden- ken in der Pflegepolitik. jd Bibliographische Angaben: Tine Haubner: „Die Ausbeutung der sorgenden Gemeinschaft. Laien- pflege in Deutschland“, Campus-Verlag, Frankfurt/M. 2017, 495 Seiten, 39,95 Euro, ISBN: 978-3-59350-735-4 Grenzen überschreiten Die Menschen im 21. Jahrhundert leben grenzüberschreitend. Sie bereisen die Welt, kaufen internationale Waren oder hei- raten ihre Erasmus-Liebe. Doch was passiert, wenn der Flug annulliert wird, das Auto kaputtgeht oder die große Liebe nicht hält? „Das Recht hat mit der dramatischen Internationalisierung unseres Lebens nur unvollständig Schritt gehalten. Es ist immer noch weitgehend national“, erzählt Prof. Dr. Giesela Rühl von der FSU. Mit der Globali- sierung sei auch die Zahl der internationalen Streitigkeiten gewachsen. Darauf hätten Ge- setzgeber sowie die EU in den letzten Jahr- zehnten mit entsprechenden Regelungen reagiert. Ein Überblick über dieses unüber- sichtliche Rechtsgebiet fehlte allerdings – bis jetzt. Denn nun erschienen ist die von Prof. Rühl mit herausge- gebene „Encyclopedia of Private International Law“. Das vierteilige, englischsprachigeWerk stellt das Internatio- nale Privatrecht auf über 4.000 Seiten vor. 181 Autoren aus 57 Ländern waren beteiligt, dazu zahlreiche Übersetzer und wis- senschaftliche Mitarbeiter. Die ersten zwei Bände enthalten 247 Themenbeiträge, Band drei umfasst 80 Länderberichte. Im vierten Band befindet sich eine Materialiensammlung: ins Englische übersetzte Gesetzestexte aus aller Welt. jd Bibliographische Angaben: Jürgen Basedow, Giesela Rühl, Franco Ferrari, Pedro de Miguel Asensio (Hg.): Encyclopedia of Private International Law, Edward Elgar Publi- shing, Großbritannien, 4184 Seiten, Preis: 995 Pfund, ISBN: 978 1 78254 722 8

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