Uni-Journal Jena April 2014 - page 9

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Uni-JournalJena04/14
Position
Symbol des Fortschritts
Thüringen ohne FSU? Undenkbar, findet auch ChristophMatschie
Für JohannWolfgang Goethe war Jena
die „Stapelstadt desWissens und der
Wissenschaft“, wie er sich im Jahr 1800
in einem Brief an Friedrich Schiller aus-
drückte. Der Dichterfürst machte auf
dieseWeise eine Verbeugung vor der
Universitätsstadt. Aber er beließ es
nicht dabei. Höchstselbst setzte er sich
für den Ausbau von Bibliotheken und
Laboratorienein, holtebedeutendeDen-
ker und Forscher nach Jena und sorgte
so dafür, dass sich in der Stadt an der
Saale immer neues Wissen anhäufen
konnte. Ob Goethe oder Schiller, Hegel
undFichte,Abbe, ZeissoderSchott –sie
alle stehen für Jena und seineUniversi-
tät.AusdemBergdesWissens, der hier
steht, ist längst einGebirge geworden.
Was wäreThüringen ohne die Fried-
rich-Schiller-Universität (FSU)?Nachmei­
nem Empfinden vor allem eines: unvor-
stellbar. Ohne die FSU würde uns das
wichtigstegeistigeundkreativeZentrum
fehlen. Aber auch wirtschaftlich würde
eine immense Lücke gerissen. Unser
Bruttoinlandsprodukt würde, alle Ef-
fekte eingerechnet, um zwei Milliarden
Eurosinken, dieArbeitslosigkeit steigen.
ThüringenwäreumvieleklugeKöpfeär-
mer. Und: Jena wäre nicht das Fenster
zur Welt und der Ort für Studierende
undWissenschaftler ausallerWelt.Also:
Thüringen braucht eine starke FSU!
AufAugenhöhemitTübingen
DieUniversität ist seit ihrerGründung
der Motor des Fortschritts in Jena. Sie
ist das Zentrum einer überaus dynami-
schen Entwicklung. Hoch qualifizierte
Wissenschaftler und Absolventen, viele
Ausgründungen und zahlreiche Partner-
schaften in Forschung und Entwicklung
tragen dazu bei, dass Jena eines nicht
kennt: Stillstand. In einer Studie wurde
Jena gegenüber renommierten Zentren
inden altenBundesländernunlängst als
„HiddenChampion“ bezeichnet. Ich bin
überzeugt: In zehn Jahrenwird sich das
geändert haben. Dannwird dieWissen-
schaftsregion Jena für alle sichtbar auf-
geschlossen haben zur ersten Liga und
auf Augenhöhe sein mit Regionen wie
Tübingen oder Heidelberg.
Damit dies gelingt, bedarf es nachhal-
tiger Anstrengungen. In den vergange-
nen vier Jahren wurden in dieWissen-
schaftsregion Jena rund zwei Milliarden
Euro für LehreundForschung investiert.
DieFinanzzuweisungen andieFSUwer-
den sich von128MillionenEuro im Jahr
2009 auf 156 Millionen im Jahr 2015
erhöhen. Vor dem Hintergrund des im
gleichen Zeitraum von 9,3 auf 8,8Milli-
arden Euro sinkenden Landeshaushalts
ist das ein erheblicher Kraftakt. Ich bin
sicher, diese Investitionen in Lehre und
Forschung lohnen sich.
Gemeinsammit denThüringer Hoch-
schulen habenwir die Hochschulstrate-
gie2020erarbeitet.Ausgehendvonden
hochschuleigenenStruktur- undEntwick-
lungsplänen sind hier die Perspektiven
für die Thüringer Hochschullandschaft
bis zum Jahr 2020 und darüber hinaus
beschrieben. Die Thüringer Hochschu-
len mussten die Frage beantworten, in
welchen Bereichen sie nationale und
internationale Spitzenleistungen in For-
schungundLehreanstreben. Siesollten
Profilschwerpunkte benennen und wer-
den diese nun gezielt ausbauen. Dazu
gehört im Umkehrschluss auch, jene
Bereiche zu definieren, die ihre Ange-
bote in Lehre und Forschung zukünftig
inKooperationmit anderenHochschulen
leisten.MancheAngebotewerden auch
eingestellt.Das ist einStrategieprozess,
der für die Hochschulen auchmit unpo-
pulärenEntscheidungenverbundenwar.
Unddoch:Dieselbstkritischeundoffene
Diskussion zu strategischen Zielen, zu
neuen Schwerpunkten, aber auch das
Aufgeben nicht erfolgreicher Ansätze
gehört zumWesen einer Hochschule.
Ich bin fest überzeugt, diese Diskus-
sion lohnt sich. Das belegen neben eta-
blierten Spitzenbereichen auch gerade
jüngste Erfolge der FSU eindrucksvoll.
Drei Beispiele:
– Mit dem Zentrum für Energie und
Umweltchemie wird in Jena Pionierfor-
schung zuEnergiespeichernder Zukunft
geleistet. Die Universität leistet hier ei-
nen unverzichtbaren Beitrag zumwich-
tigsten gesellschaftlichen Projekt der
Gegenwart, der Energiewende.
– Mit dem Imre Kertèsz Kolleg ist
Jena zu einem der führenden Orte der
interdisziplinärenOstmittel- undSüdost-
europa-Forschung zum 20. Jahrhundert
avanciert.HierwerdenwichtigeBeiträge
für das Verständnis aktueller Debatten
zur Transformation von Gesellschaften
infolge eines politischen Umbruchs ge-
leistet.
– Im Zentrum für integrative Biodiver-
sitätsforschung iDiv ist Jena imVerbund
mitHalleundLeipzig zum führendenOrt
für dieGrundlagenforschung zur biologi-
schen Vielfalt geworden. Damit leistet
Jena in der Grundlagenforschung zent-
rale Beiträge für den nachhaltigen und
gezieltenSchutzbedrohterÖkosysteme.
Damit die Uni-
versität ihren er-
folgreichen Weg
fortsetzen kann,
braucht es ver-
lässliche Rahmen-
bed i ngungen.
Diese haben wir
mit der Rahmen-
vereinbarung III
für die Jahre 2012
bis 2015 geschaf-
fen, und ich will
sie auch ab 2016
mit der Rahmen-
vereinbarung IV
garantieren. Ein
wesentliches Element der neuen Finan-
zierungsvereinbarung soll die vollstän-
dige Ausfinanzierung der jetzt neu pro-
filierten Strukturen sein. Deshalb setze
ich mich dafür ein, dass der Freistaat
Thüringen sich der Forderung desWis-
senschaftsrates anschließt und ab 2016
denThüringer Hochschulen ein Prozent
Aufwuchs über der wissenschaftsspe-
zifischen Kostensteigerung finanziert.
Dies sind nach aktuellen Planungen vier
ProzentAufwuchsproJahr.Damit schaf-
fen wir ein Fundament, auf dem noch
mehr Dynamikwachsen kann.
Gleichzeitig will ich bereits heute die
strukturellen Voraussetzungen für den
Erfolgvonmorgenschaffen. Erst vor kur-
zemhabenwir gemeinsammit der FSU
und den Leitern der außeruniversitären
Forschungsinstitute inJenaeinenstrate-
gischen Dialog aufgesetzt. Es geht um
die Frage, wie der Freistaat Thüringen
die erfolgreiche Entwicklung der Wis-
senschaftsregion Jena als Ganzes noch
gezielter unterstützen kann. Hierwollen
wir nicht nur über denTag hinaus den-
ken, sondern Schritte verabreden, wie
wir dieWissenschaftsregion Jena vom
„HiddenChampion“ zueiner der ersten
Adressen für gute Lehre und exzellente
Forschung inDeutschlandmachen.
Eine zentraleHerausforderung für die
Universität ist die räumliche Entwick-
lung. Die FSU ist gewachsen, ihre bau-
liche Substanzmussmitwachsen. Nach
dem Hauptgebäude, dem Campus am
Ernst-Abbe-Platz, soll nun am Inselplatz
ein weiterer Campus entstehen. Ein
großer Plan und einwichtigesVorhaben
auch für die Stadt. Rund 100 Millionen
Eurowill das Land investieren – in eine
Universität für die kommenden Gene-
rationen, welche sich, da bin ich sicher,
wie ich Jena ohnedieFSUnicht vorstel-
len können.
ChristophMatschie
istThüringensMi-
nisterfürBildung,
Wissenschaftund
KulturundAlumnus
derFriedrich-Schil-
ler-Universität(FSU).
Foto:Kasper
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