Lichtgedanken 04

S C HW E R P U N K T 34 Es ist Freitagabend, stutze ich kurz, ein Wochenende im Dienste der Wissen- schaft also. Etwas Besseres lasse sich mit einer klaren Nacht doch gar nicht an- fangen, sagt Mugrauer mit Nachdruck und hintergründigem Schmunzeln und beginnt sogleich zu schwärmen von den Beobachtungsbedingungen in Chile, wo er zeitweise lebt und die zurücklie- genden Wochen verbracht hat. »Keine Wolke, kein Dunst, von Sonnenunter- bis -aufgang. Das haben wir hier nur in einer Handvoll Nächten im Jahr.« Umso wichtiger sei es, die optimal zu nutzen. Die Leidenschaft für die Sterne, aber auch für die unterschiedlichen Techni- ken zu ihrer Beobachtung, ist Mugrau- er in beinahe jedem Satz anzumerken. Schon in der Grundschule habe er ange- fangen, Sterne zu beobachten, damals in der Volkssternwarte seiner Heimatstadt München. Vor 32 Jahren sei das gewe- sen, »in kosmischen Dimensionen keine lange Zeit.« Während seine Kollegin im Kontroll- raum die Beobachtungen vorbereitet, führt mich Markus Mugrauer ins Innere der Kuppel, das Herzstück des Obser- vatoriums, in dem das 90-Zentimeter- Spiegelteleskop steht: fünf Meter hoch, 13 Tonnen schwer. Per Knopfdruck fährt Mugrauer die drehbare Kuppel in Posi- tion, unmittelbar danach öffnet sich das Dach mit lautem Rumpeln. Von drau- ßen kommt jetzt kaum noch Licht, dafür dringt abendliches Vogelgezwitscher herein. Mugrauer erklimmt eine Aluleiter und nimmt den großen Metalldeckel ab, der den Tubus des Teleskops verschließt, um es vor Staub und Insekten zu schüt- zen. »Wir betreiben hier drei Teleskope auf einer Montierung«, erklärt er. Neben dem großen 90-Zentimeter-Spiegel gibt es noch zwei kleinere: ein Spiegel-Teles- kop mit 25 Zentimetern Durchmesser, ein sogenanntes Cassegrain-Teleskop, sowie ein Linsenfernrohr mit 20 Zenti- metern Durchmesser. Uni-Teleskop ließe sich auch von Hawaii aus steuern Seit 56 Jahren ist die Uni-Sternwarte in Großschwabhausen in Betrieb, das Te- leskop samt Spiegel seit dem »first light« 1962 noch im Originalzustand. »Nur die Antriebsmotoren sind mittlerweile erneuert worden«, erklärt Mugrauer. Während die Forscher in den 1960er Jah- ren das Fernrohr von einem knapp zwei Meter breiten Pult in der Kuppel aus steuerten, lasse sich das heute bequem vom beheizten Kontrollraum, ein Stock- werk tiefer, aus machen. »Oder von Ha- waii aus«, scherzt Mugrauer. Im Prinzip könne man das Uni-Teleskop von jedem Ort der Erde aus steuern. Im Schein der Taschenlampe nehmen wir jetzt jedoch die Treppe nach unten. Nur im Kontrollraum brennt Licht, al- les andere würde die Beobachtungen stören. Es gibt Kaffee. Mugrauer nimmt seinen Platz ein, mehrere Rechner sum- men, vier Monitore stehen dicht neben- einander. Susanne Hoffmann hat bereits mehrere Kalibrationsmessungen gestar- tet. Noch zeigen die Bildschirme neben jeder Menge Reglern und Koordinaten nur graues Rauschen an. »Wir nehmen zunächst verschiedene Vergleichsbil- der auf«, erläutert die Astrophysikerin. So wird in der Dämmerung die homo- gene graue Fläche des Himmels auf- genommen, um die unterschiedliche Empfindlichkeit der verwendeten CCD- Dektoren korrigieren zu können. Auf- gezeichnete Dunkelbilder registrieren Nachtschicht unterm Sternenhimmel In einem Waldstück nahe Großschwabhausen, abgeschirmt vom nächtlichen Leuchten der Lichtstadt Jena, betreibt die Universität ihre Sternwarte. Exoplaneten, junge Sternhaufen, Doppelsterne und gigantische Schwarze Löcher stehen hier in beinahe jeder klaren Nacht unter Beobachtung. Die Astrophysiker Markus Mugrauer und Susanne Hoffmann haben unsere Autorin bei ihrer Arbeit über die Schulter und durch das Spie- gelteleskop in den Himmel schauen lassen. Was sie dort entdeckt hat, berichtet sie in dieser Reportage. TEXT: UTE SCHÖNFELDER Es ist ein lauer Frühlingsabend kurz nach Ostern. Gegen 19 Uhr erhellt die Sonne noch gleißend den Horizont, als ich von Jena aus Richtung Westen fah- re. Ich passiere Remderoda und komme nach etwa zehn Kilometern in Groß- schwabhausen an. Die kleinen Ortschaf- ten liegen ruhig und abgeschieden auf einer Anhöhe, dem Himmel schon ein gutes Stück näher als Jena in seinem Talkessel. Ländliche Idylle, frische Luft, Stille. Ich rufe mir die Wegbeschreibung von der Website der Sternwarte in Erinne- rung: Von der Landstraße sollte ein Weg abzweigen, der zur Sternwarte führt. Das Navigationsgerät zeigt mir trotz- dem nur grüne Fläche an. Mit einem mulmigen Gefühl biege ich links ab, fol- ge einem kaum drei Meter breiten Weg, direkt in den Wald, dicht gesäumt von hohen Bäumen. Nach etwa dreihundert Metern: Erleichterung. Zwischen den Wipfeln, hinter denen gerade die Sonne untergeht, entdecke ich die Kuppel des runden gelbgetünchten Gebäudes, das auf einer kleinen Lichtung steht. In der »blauen Stunde« beginnen die Astrophysiker ihren Arbeitstag Eine akkurat geschnittene Hecke führt zum Eingang. Im Gebäude begrüßt mich Dr. Markus Mugrauer, der heute Nacht gemeinsam mit seiner Kollegin Dr. Susanne Hoffmann den Himmel beobachten wird. In der Abenddäm- merung, der »blauen Stunde«, beginnt für die Astrophysiker der Arbeitstag. »Wetterbedingt können wir hier in etwa 120 Nächten pro Jahr beobachten«, sagt Mugrauer. Er selbst plant die angekün- digte Schönwetterperiode in den kom- menden drei Tagen voll auszunutzen.

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