Lichtgedanken 04

Rubrik 62 »Ein Gespenst geht um in Europa – das Gespenst des Kommunismus.« Mit die- sem vielzitierten Satz beginnt das Ma- nifest der Kommunistischen Partei von Karl Marx und Friedrich Engels. Die programmatische Schrift – verfasst im Auftrag des Bundes der Kommunisten und 1848 erschienen – endet mit dem Aufruf: »Proletarier aller Länder, ver- einigt euch!« Gelernten DDR-Bürgern war der Satz wohlvertraut: Er prang- te rechts oben auf dem Titelblatt des »Neuen Deutschlands«. Doch nicht nur das »Organ des Zentralkomitees der Sozialistischen Einheitspartei Deutsch- lands« schmückte sich mit Karl Marx. Der Philosoph, der so gewaltige Werke wie das dreibändige »Kapital« verfas- ste, avancierte zum Säulenheiligen der kommunistischen Bewegung weltweit. Angereichert durch die Ideen von Wla- dimir Iljitsch Uljanow, genannt Lenin, wurde der Marxismus-Leninismus zur Heilslehre der Sowjetunion und später des gesamten Ostblocks. Die Lehre vom Klassenkampf war Schulstoff und ge- hörte als »ML« obligatorisch zum Stu- Promotion »in absentia« Vor gut 200 Jahren, am 5. Mai 1818, wurde Karl Heinrich Marx geboren. Der Philosoph, der seinen Kollegen vorwarf, die Welt nur verschieden interpretiert zu haben, während es darauf ankomme, sie zu verändern, hatte eine besondere Beziehung zur Universität Jena. Hier reichte er 1841 in Abwesenheit, »in absentia«, seine Doktorarbeit ein. Sie wurde mit »vorzüglich würdig« bewertet. dium in der DDR. Schon Schulkindern wurde Marx nahegebracht. Der Roman »Mohr und die Raben von London« war Pflichtlektüre. Ob Marx darüber hinaus tatsächlich gelesen wurde? Auf jeden Fall war Kritik an Marx sakrosankt; Le- nin gab die Richtung vor: »Die Lehre von Marx ist allmächtig, weil sie wahr ist.« In die Wiege gelegt war die spätere Berühmtheit dem jungen Marx sicher nicht. Geboren wird Karl Heinrich Marx vor 200 Jahren am 5. Mai 1818 in Trier. Der Vater Heinrich entstammte be- rühmten Rabbinerfamilien, er konver- tierte zum Protestantismus. Die Mutter Henriette ist mit dem Dichter Heinrich Heine verwandt. Nach dem Abitur nimmt Marx 1835 in Bonn ein Studium der Rechtswissenschaften auf, das er an der Friedrich-Wilhelms-Universität Ber- lin fortsetzt. In Berlin vernachlässigt der Studiosus zunehmend die Jurisprudenz und wendet sich der Philosophie und Geschichte zu. Im April 1841 kommt Marx in Verbin- dung mit der Universität Jena. Auf Vermittlung des Literaturprofessors Oskar Ludwig Bernhard Wolff reicht der weithin unbekannte Student seine Dissertationsschrift »Differenz der de- mokritischen und epikureischen Natur- philosophie« bei der Philosophischen Fakultät ein. Die Arbeit wird mit dem Prädikat »vorzüglich würdig« bedacht, wie aus der Promotionsurkunde her- vorgeht. Dieses Dokument wird heute in Moskau aufbewahrt, 1947 gelangte es in die russische Hauptstadt. Die Doktor- arbeit selbst ist nicht mehr auffindbar. Eine weitere Verbindung von Karl Marx zu Jena ist eine Büste, die der Künstler Will Lammert 1953 schuf. Das Kunst- werk zierte zwischen 1959 und 1992 den Eingang der Universität und wurde per Senatsbeschluss ins Uni-Depot »ver- bannt«. Marx beschließt sein bewegtes Leben am 14. März 1883 in London, wo er auf dem Highgate Cemetery seine letzte Ruhestätte findet. Bis heute ist die Grab- stätte ein Wallfahrtsort von Marx-Jün- gern aus aller Welt. Es heißt, es lägen immer frische Blumen auf dem Grab. TEXT: STEPHAN LAUDIEN Das Kalenderblatt Die Gedenktafel vor der Aula im Hauptgebäude der Universität Jena erinnert an den berühmten Promovenden.

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