Lichtgedanken 06

Rubrik 36 Wo ist Haeckels Kunst noch zu finden? Wie kam Haeckel im Ausland an? Der Naturforscher Haeckel unternahm etliche Forschungsreisen, die ihn unter anderem nach Ägypten, Griechenland und auf die Kanarischen Inseln führ- ten. Außerdem tourte er als Vortrags- reisender durch Europa, vorrangig in jener Zeit, als sich seine wissenschaft- liche Laufbahn ihrem Ende zuneigte. »Als Ernst Haeckel 1907 in Schweden war, wurde er von seinen Zuhörern be- geistert gefeiert«, sagt Prof. Dr. Lennart Olsson, der in Jena Zoologie lehrt. Hae- ckel sei in Schweden bekannt gewesen, beinahe wie ein Popstar. Einen gewich- tigen Beitrag dazu hatten Bücher wie die »Welträtsel« von 1899 geleistet, die faktisch zumWeltbestseller avancierten. Zudem korrespondierte Haeckel mit führenden schwedischen Wissenschaft- lern, etwa Sven Lovén oder Gustaf Retzius. Ein weiterer Briefpartner war der Forschungsreisende Sven Hedin, der an Haeckel schrieb, Deutschland möge unbedingt den Krieg gewin- nen. Gemeint war der Erste Weltkrieg. Lennart Olsson verweist darauf, dass es eher Ernst Haeckel als Charles Darwin war, der den Skandinaviern die Evolu- tionstheorie nahebrachte. Hauptgrund dafür sei sicherlich der starke kultu- relle Einfluss des Deutschen auf Skan- dinavien gewesen. »Deutsch war die erste Fremdsprache; wer im Ausland forschen wollte, der ging nach Leip- zig, Berlin oder Basel«, so Olsson. Die Deutschland-Begeisterung der Schwe- den endete erst mit der Niederlage Deutschlands im Zweiten Weltkrieg. Fortan ging der Blick der Skandinavier in Richtung USA.  sl Haeckels Naturdarstellungen, allen vor- an die Bildtafeln aus den »Kunstformen der Natur«, sind heute nicht nur in Bü- chern, Magazinen oder auf Postern zu finden. Praktisch alle Alltagsgegenstän- de, die sich bedrucken lassen, gibt es inzwischen im Haeckel-Design: Tassen, T-Shirts, Babylätzchen oder Sneakers. Schon zu Haeckels Lebzeiten haben seine Zeichnungen und Stiche andere Kunst- und Kulturschaffende inspiriert. Der französische Maler und Jugend- stil-Architekt René Binet etwa hat das Eingangsportal für die Pariser Weltaus- stellung im Jahr 1900 nach der Darstel- lung eines Strahlentierchens von Hae- ckel gestaltet (Bild rechts). Beispiele moderner Adaptionen Hae- ckelscher Kunst lieferten unter anderem die isländische Sängerin Björk, die Hae­ ckel-Illustrationen von Meerestieren als Bühnenbild während ihrer »Vesperti- ne«-Welttour Anfang der 2000er Jahre nutzte, oder die englische Modedesi- gnerin Vivienne Westwood, die Hae- ckel-Motive auf Jeans drucken ließ. Wo sich Haeckels Medusen heute in Kunst und Kommerz wiederfinden, ist auch Thema der aktuellen Sonderaus- stellung »10 Tons – Medusen – Ernst Haeckel« im Phyletischen Museum der Universität Jena (s. S. 22 ff.).  US Prof. Dr. Lennart Olsson, Professor für Spezielle Zoolo- gie der Universität Jena, hat die Haeckel-Rezeption in seinem Heimatland Schweden untersucht. Aktuelle Jenaer Publikationen zu Ernst Haeckel und Evolution Roman Göbel, Gerhard Müller, Claudia Taszus (Hg.): Familienkorrespondenz August 1854 bis März 1857, Band 2 der Reihe: »Ernst Haeckel: Ausgewählte Briefwechsel«, Stuttgart 2019, ISBN 978-3-515-11655-8 Uwe Hoßfeld: »Evolution«, erschienen bei der Landeszentrale für politische Bildung Thürin- gen, Erfurt 2019, ISBN 978-3-946939-56-6 Ulrich Kutschera, Georgy S. Levit, Uwe Hoßfeld: »Ernst Haeckel (1834 – 1919): The German Darwin and his impact on modern biology«, Theory in Biosciences (2019) 138: 1, DOI: 10.1007/s12064-019-00276-4 Elizabeth Watts, Uwe Hoßfeld, Georgy S. Le- vit: »Ecology and Evolution – Haeckelʼs Darwi- nian paradigm«, Trends in Ecology & Evolution (2019), DOI: 10.1016/j.tree.2019.04.003

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