Lichtgedanken 06

Rubrik 35 06 | LICHT GEDANKEN schaft die Frage der eigenen Verantwor- tung, der Aufarbeitung der eigenen Ge- schichte nachgehen. Mit einer öffentlichen Veranstaltung wollen wir biologische, historische und genetische Begründungen für »Menschenrassen« anschauen und offen darüber diskutie- ren. Diese Diskussion soll anschließend in der Jenaer Erklärung münden – mit Zustimmung und Unterstützung der Fachgesellschaft. Jenas Zoologie und die Universität stehen auf jeden Fall hinter der Jenaer Erklärung wider den biologischen Rassismus. stützen. In der damaligen Wissenschaft zielte Unterscheidung immer auf das Höherstrebende. Also zum Beispiel war das Wollhaar ursprünglich, das Glatt- haar ist daraus entstanden und war da- her, so die Denkweise, höherwertig. Wir wissen heute, dass das oft unterschied- lich ist. Haeckel und Rassismus werden auch Thema der Jahrestagung der Deutschen Zoologischen Gesellschaft sein, die im September in Jena stattfindet. Welche Rolle spielt Jena beimThema Rassismus? Wir in Jena haben von allen deutschen Universitäten die größte Verpflichtung, uns zum biologisch begründeten Rassis- mus zu äußern. Wie Uwe Hoßfeld von unserer Universität aufgearbeitet hat, gab es zur Zeit des Nationalsozialis- mus an der Universität Jena die größte Dichte von Professuren zum biologisch begründeten Rassismus – die sogenann- te »Rassen-Quadriga«. Das kam daher, weil es in Jena – zur Zeit von Haeckel entstanden – bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs einen fruchtbaren Boden für das Rassedenken gab. Und weil Jena diese Stellung hatte, ist die Idee ent- standen, bei der Tagung über biologisch begründeten Rassismus zu diskutieren. Auch weil dieses Denken heute wieder auf fruchtbaren Boden trifft und lauter wird – und das macht mich wütend. Was können Sie und andere Wissen- schaftlerinnen und Wissenschaftler dagegen tun? Wir werden eine »Jenaer Erklärung wi- der biologischen Rassismus« verfassen. Damit wollen wir klarstellen, dass es keine biologische Grundlage für Rassis- mus gibt. Das ist notwendig, denn bis heute steht sogar im Grundgesetz, dass niemand aufgrund seiner »Rasse« dis- kriminiert werden darf. Wenn dort von »Rasse« die Rede ist, dann impliziert das die Existenz von Menschenrassen. Das ist politisch fatal und wissenschaft- lich ein Desaster. Die Mütter und Väter des Grundgesetzes meinten es natürlich gut, sie wollten nie wieder Rassismus in Deutschland erleben. Aber der Rassebe- griff ist irreführend, er muss gestrichen werden. Es reicht völlig zu schreiben: »Kein Mensch darf diskriminiert wer- den.« Ist das ein Thema, dass Sie während der Tagung diskutieren? Wir werden erstmals in der Geschichte der Deutschen Zoologischen Gesell- Ernst Haeckel unterschied »niedere« und »höhere« Menschen. Die hier gezeigte Illustration »Die Fami- liengruppe der Katarrhinen« (Schmalnasenaffen) stammt aus seiner »Natürlichen Schöpfungsge- schichte« (1868). Zur Erläuterung schrieb Haeckel: »Die niedersten Menschen (Fig. 4, 5, 6) stehen offenbar den höchsten Affen (Fig. 7, 8, 9) viel näher, als den höchsten Menschen (Fig. 1).«

RkJQdWJsaXNoZXIy OTI3Njg=