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Man stelle sich vor, es ließen sich die

einzelnen Atome eines Moleküls wäh-

rend einer chemischen Reaktion beob-

achten: wie sie sich umlagern, um eine

neue Substanz zu bilden, oder wie Bau-

steine der DNA sich bewegen und ver-

vielfältigt werden. Diese Fähigkeit wür-

de bisher unerreichte Einsichten bieten,

um diese Prozesse besser zu verstehen

und möglicherweise zu kontrollieren.

Doch die simple Idee, den Aufbruch

oder die Umwandlung von Molekülen

während einer chemischen Reaktion zu

beobachten, war bisher unerreichbar.

Denn dies setzt voraus, alle Atome, die

das Molekül bilden, zu verfolgen – und

dies mit subatomarer räumlicher Auflö-

sung innerhalb weniger Femtosekun-

Molekül-Selfie enthüllt Flucht eines Protons

Einem internationalen Wissenschaftlerteam ist es gelungen, die Position aller Atome eines Moleküls zu

verfolgen, während der Aufbruch einer der chemischen Bindungen ein einzelnes Proton freisetzt. An den

Forschungsarbeiten mit dem neuartigen »Reaktionsmikroskop« hat auch Prof. Dr. Stefanie Gräfe mitgewirkt.

C H E M I E

T E X T: I M K E F R I S C H M U T H, A X E L B U R C H A R DT

den (= ein Millionstel einer Milliards-

tel Sekunde). Daher klangen derartige

»Schnappschüsse« einer molekularen

Reaktion mit der erforderlichen Prä-

zision wie Science Fiction. Bereits vor

20 Jahren wurde die Idee geboren, die

Elektronen des Moleküls selbst zu nut-

zen, um seine Struktur abzubilden:

Man bringe demMolekül bei – wie man

heute sagen würde – ein »Selfie« von

sich zu machen.

Elektronen des Moleküls genutzt, um

seine Struktur abzubilden

In einer kürzlich in »Science« publizier-

ten Studie konnte ein internationales

Wissenschaftlerteam jetzt den entschei-

denden Durchbruch vermelden. Dem

Team unter Leitung des spanischen »In-

stitute of Photonic Sciences« in Barcelo-

na gelang die Abbildung des Aufbruchs

einer chemischen Bindung in Acetylen

innerhalb von neun Femtosekunden,

nachdem das Molekül ionisiert wurde.

Die Forscher, darunter auch Prof. Dr.

Stefanie Gräfe von der Universität Jena,

verfolgten sämtliche Atome in einem

einzelnen Acetylen-Molekül mit ei-

ner räumlichen Präzision von deutlich

weniger als einem Atomdurchmesser

mit einer zeitlichen Präzision von 0,6

Femtosekunden. Dabei konnten sie den

Aufbruch einer bestimmten einzelnen

Bindung des Moleküls auslösen und

beobachten, wie ein Proton das Molekül

verlässt.