Uni-Journal Jena Juli 2014 - page 46

46
Uni-JournalJena07/14
NeueBücher
Der Geist des Ortes
Philosoph und US-Fotograf erinnern an das „Mekka der Philosophie“
Von Göttern und Helden
Publikation über die Mythen derWelt
Praxissemester in
der Lehrerbildung
Unter demTitel „genius loci“ vereinen
der Jenaer Philosoph Prof. Dr. Klaus
Vieweg und der in LosAngeles lebende
Fotograf Patrick Lakey philosophische
Essays undKunstfotografie.
„Dieses Büchlein ist Johann Gottlieb
Fichte, dem Begründer der Philosophie
des Deutschen Idealismus, gewidmet“,
erklärt Prof. Vieweg. 2014 ist das 200.
Todesjahr dieses großen Denkers: Ent-
sprechend stammt das Titelfoto des
neuenBandesausdemWohnhausFich-
tes in Jena. Es zeigt einen schlichten
Schreibtischmit aufgeschlagenemBuch
und leicht seitlich zurückgeschobenem
Stuhl – ganz so, als wäre Fichte nur für
einenMoment von seinemArbeitsplatz
aufgestanden. Wird es doch in Lakeys
Fotografien eingefangen, das Wirken
jenes speziellen Geistes eines Ortes;
jenes „genius loci“, von demWort und
Bild hier Zeugnis ablegen.
Von dem Band, dessen Untertitel
„PhilosophischeAn-Sichten“ lautet, sagt
Klaus Vieweg, dass er „verschiedene
Formender ErschließungundRepräsen-
tation derWelt, Kunst und Philosophie“
verknüpfe. ImZentrumstehen jeneDen-
ker, deren Leben undWerk einen direk-
ten Bezug zu Jena haben. So begann
hier der Siegeszug von Kants Philoso-
phie, sowirkten JohannGottlieb Fichte,
Friedrich Schiller und Georg Wilhelm
FriedrichHegel in Jena.Arthur Schopen-
hauer undKarlMarxwurdenhier promo-
viert. „Aber auch LudwigWittgenstein
hat einen Bezug zu Jena“, unterstreicht
Prof. Vieweg. Als er Gottlob Frege hier
besuchte, habe dieser ihm Cambridge
ansHerz gelegt. „Ohne denBesuch bei
FregewäreWittgensteinwahrscheinlich
nicht nach Cambridge gegangen“, sagt
Vieweg.
Jeder Zehntehörte Fichte zu
Zusammenmit LakeymöchteVieweg
einenBeitrag dazu leisten, dass diePhi-
losophie wieder mehr in die Öffentlich-
keit hinein zuwirkenvermag.„AlsFichte
1794seineberühmteVorlesungüber die
Bestimmung des Gelehrten hielt, hatte
Jenaumdie5000Einwohner. EinZehn-
tel von ihnen kam zu seiner Vorlesung“,
ruft Vieweg in Erinnerung: Jena sei da-
mals Hauptstadt der Philosophie – „Fa-
brik erster Prinzipien“– gewesen. 
ca
Mit dem von ihr herausgege-
benen Band „Ein Praxisse-
mester in der Lehrerbildung“
nimmtPDDr.KarinKleinespel
gemeinsammit 28 weiteren
Bildungsforschern Konzepte,
Befunde und Entwicklungs-
perspektiven anhand des Je-
naerModells in denBlick.
Das Besondere: In einer
Zeit, in der viele Bundeslän-
der Praxissemester in der
Lehrerbildung planen oder
einführen, gehört dieses für
angehende Lehrerinnen und
Lehrer, die in Jena studieren,
seit mehreren Jahren bereits
zum Standard, betont die
wissenschaftliche Geschäfts-
führerin des Zentrums für
Lehrerbildung und Bildungs-
forschung der Uni Jena.
Bereits im fünften oder
sechsten Semester des Studiums ist
das Praxissemester für alle Studieren-
den Pflicht. Dieses beschränkt sich
nicht allein auf eineHospitanz.Vielmehr
unterstützen die Studierenden die Lehr-
kräftebei derGestaltungdesUnterrichts
und unterrichten 20 Stunden pro Fach
selbst. Die Studierenden der Lehrämter
für Regelschule und Gymnasium erhal-
ten so frühzeitig profunde Einblicke in
dieBerufspraxis. 
ca
KarinKleinespel
(Hg.):EinPraxis-
semesterinder
Lehrerbildung–Kon-
zepte,Befundeund
Entwicklungspers-
pektivenamBeispiel
desJenaerModells,
VerlagJuliusKlink-
hardt,BadHeilbrunn
2014,300Seiten,19,90
Euro,ISBN978-3-
7815-1973-2
Mythen sind so alt wie die
Menschheit. Sie stifteten
Sinn in einer Welt, deren
Phänomene sich vielfach
simplen Deutungsversuchen
entzogenhaben.Mythensind
– obwohl an Orte und Kultu-
ren gebunden – weltweit zu
finden. Zudem sind sie eine
Erscheinung, die in unseren
„aufgeklärten“ Zeiten durch-
aus nicht bedeutungslos ge-
worden ist.
„Jede Zeit hat ihre My-
then“, sagt Prof. Dr. Stefan
Matuschek. Als Beispiel für
einen Mythos neueren Da-
tums nennt der Jenaer Lite-
raturwissenschaftler die so-
genannte „Stunde Null“, den
vermeintlich unbelasteten
NeuanfangnachdemZweitenWeltkrieg.
ImKernseienMytheneinPhänomen
des Erzählens, sagt Matuschek. Das
mache den Reiz für den Literaturwis-
senschaftler aus. Findet eine Erzählung
großeResonanz, beginnt sieeinEigenle-
benalsMythos zu führen– losgelöst von
ihremAutor.Matuschekverweist darauf,
dassMythenLebenswirklichkeit prägen,
selbst dann noch, wenn sie alsMythos
entlarvtworden sind. AlsBeispiel nennt
er den Sturm auf die Bastille. Obwohl
es dieses Ereignis in seiner vielfach kol-
portierten Form 1789 so nie
gegebenhat, bestimmt esals
Bild unsere Wahrnehmung
der französischen Revolution
bis heute.
Gemeinsammit demLüne-
burger Philosophie-Professor
Christoph Jamme hat Stefan
Matuschek das „Handbuch
der Mythologie“ verfasst,
das in einer Ausgabe für die
Wissenschaftliche Buchge-
sellschaft gerade erschie-
nen ist. Im ersten Teil des
Buches ordnen die Autoren
denMythos-Begriff zunächst
wissenschaftlich ein. Sodann
liefern sie ein Kompendium
der wichtigsten Mythen der
Welt. Für diesenTeil des Bu-
ches haben Jamme undMa-
tuschek renommierte Wissenschaftler
gewinnen können.
Vertreten sind u. a. der Bochumer
AltphilologeManuel Baumbach, der Er-
furter Althistoriker Kai Brodersen, die
SinologinYlvaMonschein ausMünchen
undderAltorientalistManfredKrebernik
von der Uni Jena. Die Autoren nehmen
den Leser mit auf eine spannende Ent-
deckungsreise durch Zeiten und Konti-
nente. Behandelt werden die griechi-
sche und römischeMythologie ebenso
wie die germanischenMythen. 
sl
ChristophJamme,
StefanMatuschek:
„HandbuchderMy-
thologie“,Philipp
vonZabernVerlag
derWissenschaft-
lichenBuchgesell-
schaft,Darmstadt
2014,368Seiten,49,95
Euro,ISBN978-3-
8053-4753-2
KlausVieweg:ge-
niusloci.An-Sichten
großerPhilosophen
inTextundBild.Mit
FotografienvonPa-
trickLakey.Lambert
SchneiderVerlag
2014,150Seiten,24,95
Euro,ISBN978-3-650-
40010-9
1...,36,37,38,39,40,41,42,43,44,45 47,48,49,50,51,52
Powered by FlippingBook