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Uni-Journal JenaSonderausgabe2014
Uni-Journal JenaSonderausgabe2014
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genutzt wurde zudem die Möglichkeit,
neue Studiengänge an den Schnittstel-
len mehrerer Fakultäten zu entwickeln:
z. B. Biogeowissenschaften, Bioinfor-
matik, Christentum in Kultur, Geschichte
und Bildung, Interkulturelles Musik- und
Veranstaltungsmanagement. Als Mus-
ter für einen sich erfolgreich selbstfinan-
zierenden Weiterbildungsstudiengang
muss der MBA Sportmanagement gel-
ten. Umfangreiche Überarbeitungen hat
auch das Medizinstudium erfahren. In
den Wirtschaftswissenschaften wurde
der Studiengang M. Sc. Betriebswirt-
schaftslehre für Ingenieure und Natur-
wissenschaftler neu eingerichtet. Dies
sind Belege, dass die Chancen der
Umstellung in vielfältiger Weise genutzt
wurden. Ein besonderes Anliegen von
Rektor und Prorektor war es aber auch,
bei aller gebotenen Schwerpunktbildung
die „kleinen Fächer“ zu schützen und sie
als Kleinod und Zukunftsträger in ihrer
Ausbildungs- und Forschungskraft zu
stärken.
Außerdem: In allen Bachelor-Studien-
gängen sind Pflicht-Praktika verankert,
denn die Verzahnung mit der Wirtschaft
und Berufspraxis ist traditionell prägen-
des Element der Jenaer Universitäts-
ausbildung. Dass stetig steigend derzeit
rund 40 Prozent der Studienanfänger
aus den alten Bundesländern stammen,
spricht nicht nur für die Attraktivität der
Ausbildung sondern ermöglicht es, Jena
und Thüringen auf hohem Niveau Nach-
wuchskräfte anzubieten. Darüber hinaus
werden Unternehmensgründungen über
den K1 – Gründerservice durch Ausbil-
dungs- und Qualifizierungsangebote für
alle Fakultäten befördert und durch eine
individuelle Betreuung und bei der Finan-
zierung unterstützt.
Qualitätsentwicklung
Die Qualitätssicherung und Qualitäts-
förderung besitzt im Leitungskonzept
von Klaus Dicke – sicherlich bestärkt
durch Klaus Kübel – einen zentralen
Stellenwert. Zur Absicherung und konti-
nuierlichen Verbesserung der Ausbildung
wurde ein internes Qualitätssicherungs-
system für die Lehre aufgebaut, das auf
die konzeptionelle Ausgestaltung der
Studiengänge (Programmqualität), die
Betreuung der Studierenden (Betreu-
ungsqualität) und die Lehrkompetenz
(Lehrqualität) ausgerichtet ist. Neben
der Evaluierung der Lehrveranstaltun-
gen sind Studiengangsbefragungen neu
konzipiert und ein Auswertungssystem
an den Fakultäten etabliert worden, die
eine kontinuierliche Weiterentwicklung
der Studiengänge absichern soll. Der
hochschulöffentlichen Diskussion der
Studiensituation dienten die von Klaus
Dicke ins Leben gerufenen jährlichen
Bolognatage. Um die Lehrkompetenz
vom Tutor über den wissenschaftlichen
Nachwuchs bis hin zu den Professoren
zu befördern, wurde mit Unterstüt-
zung der Erziehungswissenschaften
die hochschuldidaktische Servicestelle
„LehreLernen“ eingerichtet. Kritisch im
Hinblick auf Kosten und Nutzen haben
sich Rektorat und Universitätsrat mit
der Akkreditierung auseinandergesetzt
und sich übereinstimmend für die Um-
stellung auf die Systemakkreditierung
entschieden.
Dritte Säule des Umstellungsprozes-
ses war seine verwaltungstechnische
Bewältigung. Größten Aufwand und
auch Akzeptanzprobleme verursachte
„Fridolin“, die Einrichtung des Campus-
Management-Systems zur Online-Stu-
dienverwaltung. Fridolin bietet Einblick
in die Hochschulstruktur, Modulkataloge
undVorlesungsverzeichnisse und ermög-
licht, online Veranstaltungsbelegung,
Prüfungsanmeldung und Ausdrucke von
Studienbescheinigungen durchzuführen.
Parallel hierzu wurde die thoska-Karte
als Studienausweis und multifunktio-
nale Chipkarte zur Vereinfachung von
Verwaltungs- und Zahlungsabläufen ein-
geführt. Speziell für ausländische Stu-
dierende konzipiert ermöglicht „Onleila“
die Erstellung individueller Studienpläne.
Darüber hinaus sind unter Leitung von
Eva Schmitt-Rodermund die Zentrale
Studienberatung und das Studierenden-
Service-Zentrum umstrukturiert und
speziell für die Masterstudiengänge ein
zentrales Master-Service-Zentrum einge-
richtet worden.
Studentenparadies Jena
Zur Abrundung der Lehrstrategie rief
Klaus Dicke 2007 die Initiative „Studen-
tenparadies Jena“ aus. Damit verbun-
den ist ein deutliches Bekenntnis zur
Chancengleichheit und zur selbstver-
ständlichen, umfassenden Förderung
familienfreundlicher Studien- und Ar-
beitsbedingungen. Es galt ein Jenaer
Bündnis zu schmieden zwischen Stadt
und Region, Universität und Fachhoch-
schule, Studentenwerk und Wirtschaft,
um das Umfeld für Studium undWissen-
schaft stetig zu verbessern. Bundesweit
Vorbildcharakter besitzt die flexible Kin-
derbetreuung (JUni-Kinder). Direkt am
Abbe-Campus hat 2011 das Hochschul-
Familienbüro als Beratungs- und Betreu-
ungsstelle seine Arbeit aufgenommen.
Epilog
Im Prorektorat für Lehre und Struktur
hing ein Bildnis von Johann Heinrich
Pestalozzi. Dessen Ansatz folgend, hat
Klaus Dicke die Universität „mit Kopf,
Herz und Hand“ durch die Umbrüche
seines Jahrzehnts geführt.
Lehre
LehreanderFSU:
AlsLeitliniefürdie
Umstellungsprozesse
hatRektorDicke
2007dieDenkschrift
„DasSpezifikumuni-
versitärerBildung“
initiiert.Dieseistzu
f
indenunter:www.uni-jena.de/Spezi-
fikum_universitae-
rer_Bildung.html.
Foto:GüntherZeit der Neuausrichtung
Prof. Dr. Kurt-Dieter Koschmieder über Umbrüche in Studium und Lehre sowie die Spezifika universitärer Bildung
„Bona studia“ soll die Jenaer Hohe
Schule nach dem Willen ihres Grün-
dungsrektors verpflichtet sein – Diesem
Anspruch hat sich Klaus Dicke in seinem
Jahrzehnt als Rektor in besondererWeise
verschrieben. Nicht durch die Bologna-
Reform gezwungen, nein: aus tiefer
Überzeugung als Wissenschaftler und
Lehrer.
Die Amtszeit von Klaus Dicke war
geprägt durch die zweite gravierende
Umstrukturierung der FSU innerhalb
von 15 Jahren. Waren die 1990er Jahre
durch den beachtlichen Neuaufbau und
die Bemühungen um Konsolidierung ge-
kennzeichnet, griffen Bologna-Reform,
Exzellenzinitiative und die Novellierung
desThüringer Hochschulgesetztes schon
zu Beginn der Amtszeit von Klaus Dicke
mit tiefgreifenden Änderungen in alle drei
Lebensbereiche der FSU ein: in Lehre
und Forschung sowie in Leitungs- und
Verwaltungsstruktur. Darüber hinaus war
das „Gedächtnis“ der Universität und der
Garant für die qualitätsorientierte Ent-
wicklung seit 1990 – Kanzler Klaus Kübel
– zu ersetzen.
Derartige Herausforderungen lassen
sich nur imTeam, im Zusammenspiel von
Rektorat, Senat, Fakultätsleitung und ab
2008 in Zusammenarbeit mit dem Uni-
versitätsrat bewältigen, wenn Respekt
und kooperativer Geist Kreativität frei-
setzt und das Ringen um die bestmög-
liche Lösung ermöglicht. Klaus Dicke hat
sich als Initiator, Lenker und Stratege
verstanden, aber auch als „Dienstleis-
ter“, um den Wissenschaftlern und Stu-
dierenden individuellen Freiraum und
bestmögliche Rahmenbedingungen für
Studium und wissenschaftliche Entfal-
tung zu bieten. Er hat mit Überzeugungs-
kraft für personelle Kontinuität in den
Prorektoraten geworben und so seine
Prorektoren längerfristig binden können,
um die großen Aufgaben zu bewältigen:
Forschungsstrategie und Exzellenzinitia-
tive mit Herbert Witte, Lehrstrategie und
Bologna-Reform mit Stefan Matuschek
und mir, Nachwuchsstrategie und Aufbau
der Graduierten-Akademie mit Amelie
Mummendey, strategischer und operati-
ver Umbau der Leitungsstruktur und Neu-
fassung von Satzungen und Ordnungen
mit Klaus Kübel und Klaus Bartholmé.
Die Bereitschaft sich längerfristig der
Arbeit im Rektorat zu verschreiben,
wurde entscheidend geprägt durch
das immense zwischenmenschliche
Verständnis, durch Zuhören, durch die
Bereitschaft zu kritischer Reflexion und
zu konstruktivem Mitdenken, durch die
gemeinsame intensive Suche nach der
optimalen Strategie und dem optimalen
Lösungsweg. Das war Teamarbeit im
besten Sinne – D(d)ank Klaus Dicke und
Dank den Mitstreitern und den engagier-
ten Mitarbeitern des Rekto-
rats, der Prorektorate und der
Verwaltung.
Leitbild Lehre
Kein Zweifel: Die Bologna-
Reform wurde auch an der
FSU äußerst kritisch aufge-
nommen. Stellvertretend
hierfür sei auf den Vortrag
von Stefan Matuschek an-
lässlich der Immatrikulations-
feier 2006 verwiesen. Um
den Zwang zur Umstellung
in akademischer Weise anzu-
gehen, initiierte Rektor Dicke
als inhaltliche Leitlinie die
Denkschrift „Das Spezifikum
universitärer Bildung“ (2007),
die von mir und Peter Braun
2010 um das „Leitbild Lehre“
ergänzt wurde. Es lohnt sich
festzuhalten: Das Ziel univer-
sitärer Bildung lässt sich nur
über die Spezifika der Univer-
sität bestimmen. Alleinstel-
lungsmerkmal der Universität
ist die personelle Verzahnung von For-
schung und Lehre sowie die Ausbildung
des wissenschaftlichen Nachwuchses
für Forschung und Lehre. Im Mittelpunkt
universitärer Ausbildung stehen deshalb
die Teilhabe am Forschungsprozess, die
forschungsgeleiteteWissens- und Fähig-
keitsvermittlung und die Anleitung zum
reflektiven und präskiptiven Selbstden-
ken. Je konsequenter eine forschungs-
orientierte Lehre realisiert wird, desto
besser die Voraussetzungen für zukünf-
tige Spitzenleistungen in der Forschung
sowohl innerhalb als außerhalb der Uni-
versität.
Operativ begann die Umstellung mit
der Modulprüfungsordnung (2005) als
Rahmenordnung für alle Studiengänge,
bevor dann in den einzelnen Fakultäten
auf Basis von Strukturentscheidungen
die Bachelor- und Masterstudiengänge
mit Selbstbericht, Prüfungs- und Studi-
enordnungen sowie Modulkatalog erar-
beitet wurden. Die Umstellung selbst
erstreckte sich zwischen 2007 und 2010
auf die Studiengänge aller Fakultäten mit
Ausnahme der Staatsexamensstudien-
gänge der Rechtswissenschaften, Me-
dizin, Pharmazie und Lehrerausbildung
sowie der Theologie (Diplom und kirch-
liche Prüfung). Strukturell und inhaltlich
wurden besondere Akzente gesetzt in
der Lehrerausbildung mit dem Jenaer
Modell, das deutschlandweit Vorbildcha-
rakter erlangt hat.
Organisatorisch sichtbarer Ausdruck
internationaler Verknüpfung von For-
schung und Lehre verbunden mit ei-
nem gleitenden Übergang in Doktoran-
denprogramme sind die Jenaer School
of Microbial Communication (M. Sc.
Microbiology) und die Abbe School of
Photonics (M. Sc. Photonics). Vielfach
„Klaus Dicke hat
sich als Initiator,
Lenker und Stratege
verstanden, um den
Wissenschaftlern
und Studierenden
individuellen Freiraum
und bestmögliche
Rahmenbedingungen
für Studium und
wissenschaftliche
Entfaltung zu bieten.“
Lehre
Prof.Dr.Kurt-Dieter
Koschmiederwar
von2006bis2011
ProrektorfürLehre
undStrukturund
hatindieserZeitdie
Umstellungsprozesse
imZugederBologna-
Reformmaßgeblich
gestaltet.
Foto:Kasper