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S C HW E R P U N K T

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hen auf dem Gelände, in mehr als 600

Versuchsparzellen, bis zu 60 verschie-

dene Pflanzenarten nebeneinander.

Ziel des Biodiversitätsexperiments ist

es, herauszufinden, wie sich die Arten-

vielfalt auf Stoffkreisläufe und Ökosys-

temprozesse auswirkt.

Von Beginn an wird das ökologische

Freiland-Labor von der Deutschen For-

schungsgemeinschaft (DFG) gefördert.

Nach fünf Förderperioden ist der Be-

trieb des »Jena-Experiments« nun bis

2018 weiter gesichert. Neben der Jenaer

Universität sind auch die Uni Leipzig,

die TU München, das Max-Planck-Ins-

titut für Biogeochemie in Jena und das

Deutsche Zentrum für integrative Bio-

diversitätsforschung (iDiv) beteiligt, das

aktuell den Sprecher des Experiments

stellt. Zahlreiche weitere Forscher und

Institutionen aus Deutschland, den

Niederlanden, der Schweiz, Frankreich,

Österreich und den USA sind in das

»Jena-Experiment« eingebunden.

Die Artenvielfalt der Graslandschaften

im »Jena-Experiment« ist detailliert ge-

plant und wird strengstens kontrolliert.

Nichts, was hier wächst, sprießt zufällig

aus dem Boden. Während auf manchen

Versuchsflächen lediglich eine einzige

Pflanzenart wächst, gedeihen auf ande-

ren zwei, vier, acht, 16 oder 60 verschie-

dene Gräser, Kräuter und Leguminosen

(Hülsenfrüchtler). All das ist vor allem

das Werk des insgesamt fünfköpfigen

Gärtnerteams. An diesem Morgen im

Mai sind die Gärtnerinnen Ute Köber

und Katja Kunze dabei, die Wuchs-

höhen der Pflanzen zu messen. Mit

Zollstock, Klemmbrett und in den obli-

gatorischen Gummistiefeln wandern sie

von Versuchsfläche zu Versuchsfläche,

die sie meist nur kurz »Plots« nennen.

»Wir haben jetzt in den Plots den höchs-

ten Wuchs«, sagt Ute Köber. Schon

Pflanzen mit über einem Meter zwan-

zig habe sie heute vermessen. Die sport-

liche Frau mit den kurzen blonden Haa-

ren blickt über die blühenden Wiesen.

Violette Wicken stehen zwischen gel-

bem, weißem und rötlich blühendem

Klee, gelb leuchten Pippau und Wie-

senbocksbart neben weiß-gelben Mar-

geriten und Kräutern wie Kümmel oder

Pimpinelle. Darüber ragen kräftige Bü-

schel des Wiesen-Fuchsschwanzes und

die Rispen des Glatthafers, recken sich

Knäuel- und Lieschgras gen Himmel.

In einigen Tagen wird diese Pracht al-

lerdings verschwunden sein. »Nächste

Woche wird geerntet«, sagt Ute Köber.

Geerntet? Was bitte gibt es hier zu ern-

ten? »Biomasse«, die Gärtnerin lacht

und zeigt mir einen sogenannten Ern-

terahmen: Ein metallisches U, 20 mal

50 Zentimeter groß. »Der wird auf den

Boden gelegt und alles, was in diesem

Bereich wächst, direkt an der Oberflä-

che abgeschnitten.« Innerhalb weniger

Tage wird Ute Köber mit ihren Kollegen

sämtliche 600 Versuchsflächen auf die-

se Weise beproben.

Rund 20 Kilogramm Biomasse kommen

dabei zusammen, schätzt Köber. Die

Ernte werde anschließend verpackt in

kleine beschriftete Plastiktüten ins Ins-

titut für Ökologie der Jenaer Universität

transportiert und landet für drei Tage

bei 70 °C im Trockenofen. Zermahlen

zu feinem Pulver ist das Pflanzenma-

terial dann für die Laboruntersuchun-

gen bereit, in denen unter anderem der

Kohlenstoff- und Stickstoffgehalt der

Pflanzen bestimmt wird.

»Das ist ein immer wiederkehren-

der Zyklus«, erklärt Katja Kunze. Die

33-Jährige gehört seit 2005 zum Gärt-

nerteam des »Jena-Experiments« und

vollzieht diesen Jahreskreis bereits das

11. Mal. Jeden April, Juli und Septem-

ber wird gejätet, denn ausschließlich

die Pflanzen, die auf den kleinen Tafeln

ausgewiesen sind, dürfen auf den Ver-

suchswiesen wachsen. Quadratzenti-

meter um Quadratzentimeter heißt es

daher, jeden Halm und jedes Blatt zu

prüfen. Das ist bei der Größe des Feldes

mit fünf Leuten natürlich nicht zu ma-

chen. Rund 150 Freiwillige werden da-

her jede Saison als Jäthelfer engagiert.

Die Gärtnerinnen Heike Scheffler (r.) und Ute Köber messen die Wuchshöhe in den einzelnen Versuchsflä-

chen. In der Hauptwachstumsperiode erreichen einige Gräser mehr als einen Meter Höhe.