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Uni-Journal JenaSonderausgabe2014

Uni-Journal JenaSonderausgabe2014

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Interview

Interview

„Es war eine bereichernde und er fül lende Zei t“

Prof. Dr. Klaus Dicke zieht nach zehn Jahren als Rektor der FSU Bi lanz

Wie sehr freuen

Sie sich denn auf

den 16. Oktober,

den Tag, an dem

Sie nach über 10

Jahren Ihr Rek-

torat abgegeben

haben werden?

Riesig! (lacht)

Und die Tatsache,

dass ich – seit 31.

August, dem offizi-

ellen Ende meiner

Amtszeit – sechs

Wochen „nachsit-

zen“ muss, stei-

gert die Freude

noch.

Erinnern Sie sich

noch an

Ihren

ersten Tag

im

Amt?

Ja, natürlich.

Ich erinnere mich, dass ich damals drei

Schlüssel entgegengenommen habe,

die ich auch heute noch in der Tasche

habe. Ich erinnere mich an einen netten

Plausch mit meinem Amtsvorgänger

Herrn Meyn, und dann kam bereits die

erste Post.

Haben sich Ihre Erwartungen von da-

mals erfüllt? Und waren eventuelle

Bedenken berechtigt?

Also die Bedenken hatte ich bereits

mit meiner Kandidatur abgearbeitet.

Aber natürlich, wenn man im Voraus

wüsste, was alles auf einen zukommt,

würde man so etwas wahrscheinlich

nicht machen. Meine Erwartungen ha-

ben sich aber durchaus erfüllt, wenn

auch in der einen oder anderen Hinsicht

nur mit Abstrichen. Etwa, was die finan-

zielle Stabilität und Entwicklung der Uni-

versität angeht. Aber insgesamt bin ich

mit der Bilanz zufrieden.

Können Sie Ihre Zeit als Rektor der

FSU in einem Satz beschreiben?

Das hängt davon ab, aus welcher Pers-

pektive ich das sehe. Für mich persönlich

war es eine in hohem Maße erfüllende

und bereichernde Zeit. Und für die Uni-

versität war es eine Zeit, die sicherlich

nicht ganz erfolglos war.

Sie haben 2008 bei Ihrer Wiederwahl

im Interview mit dem „Uni-Journal“

gesagt: „Die FSU ist auf dem Weg

nach oben, sie ist optimistisch, sie ist

kooperativ und sie strahlt ein prima

Klima aus.“ Steht der Satz noch heute

oder muss er nachjustiert werden?

Er muss vielleicht insoweit nachjus-

tiert werden, als die wirklich schmerz-

haften Entwicklungen der letzten zwei

Jahre, insbesondere der Strukturent-

wicklungsplan (STEP, Anm. der Redak-

tion), der eine Einsparung in der Perso-

nalstruktur von 125 Vollzeitäquivalenten

notwendig macht, doch stark „klima-

trübende“ Effekte hatte. Insofern ist

eine Modifikation angebracht. Aber ich

würde den Grundsatz nicht korrigieren.

Ich nehme immer noch wahr, dass man

in Jena Dinge anpackt, dass man in Jena

Chancen ergreift und ich nehme auch

immer noch wahr, dass die FSU eine

Universität ist, die von einem gesunden

Ehrgeiz getrieben ist.

In den vergangenen zehn Jahren hat

sich das deutsche Wissenschaftssys-

tem insgesamt sehr stark verändert.

Was sind aus Ihrer Perspektive die

markantesten Änderungen für die

FSU in diesem Prozess?

Das sind erstens institutionelle Än-

derungen. Wir haben mit dem Univer-

sitätsrat ein neues Organ bekommen,

das das Zusammenspiel zwischen Uni-

versitätsleitung und dem Ministerium,

aber auch intern zwischen Universitäts-

leitung, Senat und Fakultäten verändert

hat. Der zweite Punkt ist eher auf der

Ebene der Außendarstellung zu finden:

Marketing und Wettbewerb sind hier

wichtige Stichworte geworden. Das hat

durchaus Vorteile gebracht. Ich bin nach

wie vor der Überzeugung, dass wir den

Wettbewerb der Exzellenzinitiative ge-

braucht haben, um manche Dinge vo-

ranzubringen. Ich bin umgekehrt aber

auch der Meinung, dass sich mit dem

damit verbundenen „Superlativismus“

und dem „schneller, höher, weiter“ auch

Tendenzen ausgebildet haben, die eine

Kurzatmigkeit und teilweise Oberfläch-

lichkeit in die Entwicklungen zu bringen

drohen, die einer Institution wie der Uni-

versität nicht gut tun.

Wie beurteilen Sie den Einfluss eines

Rektors bzw. der Unileitung insge-

samt auf diese Entwicklungen? Denn

viele dieser Prozesse, wie Bologna-

Reform oder Exzellenzinitiative, sind

ja politisch vorgegeben worden.

Der Einfluss ist groß! Man kann Pro-

zesse ja unterschiedlich gestalten. Man

kann beispielsweise Zeitvorgaben ma-

chen. Diese können zu kurz sein und

dann läuft man Gefahr, dass Murks he-

raus kommt. Die Zeitvorgaben können

aber auch zu lang sein, was die Gefahr

birgt, dass etwas verschleppt wird. Da

gilt es folglich, eine gute Mittelposition

zu finden.

Sie haben Bolognaprozess und Ex-

zellenzinitiative genannt. Man muss

meiner Ansicht nach auch das neueThü-

ringer Hochschulgesetz und dieTatsache

nennen, dass sich in den vergangenen

zehn Jahren auch Hochschulleitungen er-

heblich veränderten. Heute geht es viel

mehr um Strategiebildung, um Kommu-

nikation und Umsetzung von Strategien

als früher. Daher denke ich schon, dass

der Einfluss der Hochschulleitung insge-

samt gewachsen ist.

Light – Life – Liberty: Unter dieses

Motto haben Sie die Schwerpunkt-

setzung und Profilbildung der FSU in

den vergangenen Jahren gestellt.Wie

sehen Sie die FSU in diesen Bereichen

heute aufgestellt?

Dieses Motto stammt ursprünglich

aus dem Zukunftskonzept der FSU in der

zweiten Runde der Exzellenzinitiative

und ich halte es nach wie vor für sehr ge-

eignet, die heutigen Schwerpunkte der

Universität zu beschreiben: Der Bereich

„Light“ verbindet in großartiger Weise

die Physik mit den Geisteswissenschaf-

ten. Die Lebenswissenschaften – „Life“

– erhalten auch durch intensive Koope-

rationen zwischen Biologie und Medizin

gerade einen deutlichen Auftrieb. Und

„Liberty“ ist ein Traditionselement der

Universität und bis heute aktuell. Denn

wir tun gut daran, wenn wir selbstkri-

tisch, vor allem nach außen wirkend,

immer wieder die Frage stellen, wie es

denn mit Freiheit in unserer Gesellschaft

bestellt ist. Daher, denke ich, sind mit

diesem Motto universitäre Aufgaben be-

schrieben, die sehr gut zu Jena passen.

Dennoch gibt es auch Forscher an der

FSU, die sich in diesen drei Bereichen

nicht wiederfinden oder glauben, sich

dort nicht wiederzufinden. Was ma-

chen wir mit denjenigen?

Das Motto soll Orientierung geben,

aber keinesfalls einschränken. Natürlich

darf sich Forschung nicht in ein Schub-

fach pressen lassen. Und wenn man

„Light – Life – Liberty“ als Gerüst für

Schubladen betrachten würde, dann

wäre die Sache nach Hinten losgegan-

gen. Selbstverständlich gibt es auch

jenseits dieses Mottos Dinge, die man

an der Universität erforschen muss und

das liegt letztendlich in der Selbstbe-

stimmung jedes einzelnen Forschers.

Da ist in keiner Weise eine Schranke

aufgebaut.

Stichwort Studierendenzahlen: Lange

Zeit konnte sich die FSU dem prog-

nostizierten Trend erfolgreich entge-

genstellen, der bereits vor einigen

Jahren deutliche Einbrüche bei den

Studierendenzahlen angekündigt

hatte. Doch inzwischen sinken auch

bei uns die Zahlen der Studienan-

fänger wie auch der Studierenden

insgesamt. Betrachten Sie das mit

Sorge, oder sehen Sie darin auch eine

Chance für die FSU?

Ach, das ist ein weites Feld. Für mich

ist der schönste Termin im ganzen Jahr

immer der Fassanstich bei der Erstse-

mesterbegrüßung im Rosenkeller. Und

zwar, weil man da in so viele neugierige

Augen guckt und so viel Potenzial sieht.

Ich bin aber andererseits der Auffas-

sung, dass eine Universität eine kriti-

sche Grenze für ihre Studierendenzahl

im Sinne einer angemessenen Betreu-

ung aufstellen muss.Wir haben mit dem

Hochschulpakt 2020 ja die Situation ge-

habt, dass wir für möglichst viele Studie-

rende belohnt wurden und das halte ich

für eine falsche Politik. Ich bin nicht der

Auffassung, dass ein moderater Rück-

gang der Studierendenzahl der Qualität

des Studiums an der FSU schadet. Und

das muss nun einmal das wichtigste

Kriterium für uns sein, so wichtig die

ökonomische Bedeutung der Studieren-

den für die Stadt, das Land und dieWirt-

schaft am Standort ist.

Was wäre denn eine Zahl, die ideal für

die FSU wäre?

Als ich hier in Jena angefangen habe,

gab es etwa 10000 Studierende an der

Universität, auf dem Höhepunkt der

Entwicklung hatte sie mehr als 21000.

Es ist schwer zu sagen, welche Zahl die

ideale ist. Aber ich sage Ihnen ganz ehr-

lich, ich habe jedes Jahr im Oktober zwei

Herzen in meiner Brust schlagen spüren.

Auf der einen Seite, mit Blick auf den

Hochschulpakt 2020, die Freude darüber,

dass es nach oben

ging. Und auf der

anderen Seite, mit

Blick auf die Qua-

lität des Studiums,

wenigstens die

Besorgnis, dass

die große Zahl

nicht immer die

beste ist.

Sie sagten schon,

Sie halten rein

statistische Fak-

toren für die Fi-

nanzierung einer

Universität für

nicht geeignet.

Doch so, wie es

aussieht, wird

die Universität

in Zukunft ihren

Haushalt

erst

nach harten Ver-

handlungen aus

dem Ministerium erhalten. Führt die-

ses System nicht in eine zu große Ab-

hängigkeit von der Politik?

Zunächst einmal denke ich nicht, dass

man eine parameterorientierte Finanzie-

rung generell ablehnen sollte. Ich finde

nur, dass etwa der Anknüpfungspunkt

des Hochschulpakts 2020 bei den reinen

Studierendenzahlen dazu geführt hat,

dass man kräftig Marketing gemacht und

eine möglichst große Zahl Studierender

auch aus ökonomischen Gründen ange-

nommen hat. Das gleiche gilt natürlich

auch für andere Parameter: Wenn Uni-

versitäten etwa nach der Zahl der Pro-

motionen finanziert werden, dann muss

man sich auch immer fragen, wie diese

Parameter akademische Entscheidun-

gen beeinflussen.

Eine nicht repräsentative Umfrage

unter den Studierenden der FSU hat

ergeben, dass es tatsächlich Men-

schen an dieser Universität gibt, die

mit dem Namen Klaus Dicke nichts

anfangen können. Frustriert Sie das

nach einem Jahrzehnt an der Spitze?

Nein, das halte ich für ganz normal.

Während meiner Studienzeit habe ich

auch lange nicht gewusst, wie der Präsi-

dent der Universität Tübingen heißt. Erst

als ich irgendwann in der Zeitung gele-

sen habe, dass Tübingen damals als ein-

zige Universität einen Präsidenten hatte,

war mir der Name Adolf Theis geläufig.

Also das frustriert mich überhaupt nicht.

Manch anderer verbindet Ihren Na-

men mit den aus dem STEP resultie-

renden finanziellen Kürzungen. Wie

fühlt sich das am Ende einer Amtszeit

an, wenn man auf einen solchen As-

pekt reduziert wird?

Ich würde nicht sagen, dass ich mich

dadurch auf einen bestimmten Aspekt

reduziert fühle. Sondern ich denke um-

gekehrt, wie sollen denn die Studieren-

den das anders verbinden, als aus ihrer

Erfahrung und Betroffenheit heraus?

Und deswegen kann ich das wirklich gut

nachvollziehen.

Waren die Kürzungsvorgaben durch

das Land, die sich bekanntlich im

STEP manifestierten, ein Moment,

in dem Sie es bereut haben, sich als

Rektor zurWiederwahl gestellt zu ha-

ben?

DerPolitikwissen-

schaftlerProf.Dr.

KlausDickeistseit

September2004317.

RektorderUniversi-

tätJena.Nachzwei

Amtszeitenhater

sichnichtwiederzur

Wahlgestellt.

Fotos(2):Kasper

Der„schönste

Terminimganzen

Jahr“.Dasistfürden

scheidendenRektor

derFassanstichim

Rosenkeller,beidem

dieStudienanfänger,

wiehierimOktober

2010,vomRektorper-

sönlicheinFreibier

gezapftbekommen.

„Ich nehme immer noch

wahr, dass man in Jena

Dinge anpackt, dass man

in Jena Chancen ergreift

und ich nehme auch immer

noch wahr, dass die FSU

eine Universität ist, die von

einem gesunden Ehrgeiz

getrieben ist.“

Fortsetzung auf

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