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Uni-Journal JenaSonderausgabe2014
Uni-Journal JenaSonderausgabe2014
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Interview
Interview
Mehr als einmal. Vor allem in den Sep-
tembertagen des vergangenen Jahres,
in denen ich die Kürzungsvorschläge er-
arbeitet habe. Aber zu der mit der Wahl
übernommenen Verantwortung muss
man stehen.
Wie hat das Amt des Rektors Sie
selbst verändert?
Ich habe in dieser Zeit eine Unmenge
gelernt – denn ich habe das Privileg ge-
habt, in alle an dieser Universität betrie-
benen Wissenschaften hineinschnup-
pern zu dürfen. Und das habe ich sehr
genossen. Insofern ist das Amt eine
große Bereicherung gewesen. Es hat
zudem Routinen gebracht: Ich glaube,
dass ich mittlerweile ein bisschen et-
was von Sitzungsleitung verstehe und
auch „Klimaeckpunkte“ setzen kann.
Das hatte ich vorher gar nicht so erwar-
tet. Es hat mich aber vor allem auch po-
litischer gemacht und ich habe gelernt,
das, was man aus der Politik aufnimmt,
in eine Strategie für die Universität zu
übersetzen.
Im Übrigen ist auch das ein oder an-
dere graue Haar hinzugekommen. Aber
den Humor hat es mir trotzdem nicht
ausgetrieben.
Sie haben jetzt aber charmant dar-
über hinweg gesehen, dass es viele
Jahre gab, an denen Sie kaum ein
komplettes Wochenende zu Hause
waren, weil Sie als HRK-Vizepräsi-
dent, als LRK-Vorsitzender und in wei-
teren zusätzlichen Funktionen neben
dem Rektorat unterwegs waren. Wie
bewältigt man ein so arbeitsintensi-
ves Amt und schafft es, fit zu bleiben?
Das erfordert schon einen Rückzugs-
raum; für mich sind das unser wirklich
schönes Haus und der Garten an der
Ilm in Oettern. Jedes Mal, wenn ich die
Autobahnbrücke in Mellingen hinter mir
lasse, habe ich den Eindruck, in einer
anderen Welt zu sein. Und das Gärtnern
lehrt Demut und Geduld des Arbeiters
im Weinberg. Aber ich gebe zu, dass
es mir nicht immer leicht gefallen ist
am Wochenende immer gute Laune zu
haben, wenn ich zu irgendeinemTermin
gefahren bin.
Insgesamt kommt es darauf an, sich
nicht im Kalenderdiktat zu verlieren.
Man muss schließlich nicht alles ma-
chen, was so an Anfragen kommt. Ich
habe mir immer die Freiheit genommen,
auch mal ein Buch zu lesen und mir den
einen oder anderen Freiraum vorbehal-
ten. Sonntagabends, viertel nach acht,
ruft bei mir niemand mehr an! Und nicht
zuletzt habe ich hier ja auch ein Umfeld,
das mich sehr unterstützt hat.
Als Rektor haben Sie die FSU in den
zurückliegenden Jahren auch auf
zahlreichen Reisen ins Ausland vertre-
ten.Wohin hat Sie Ihre weiteste Reise
geführt und an welche außergewöhn-
liche internationale Begegnung erin-
nern Sie sich besonders gern?
Das war wohl nach San Francisco in
der einen und nach Taiwan und Tokyo in
der anderen Richtung. Sehr beeindruckt
hat mich die häufige Beobachtung von
Religion im öffentlichen Raum in Tokyo,
in Süd- und Südosteuropa und sogar
in China. Und sicher muss ich die wie-
derholte Erfahrung einer umwerfenden
Gastfreundschaft in Georgien nennen.
Beides hat mir ganz gegen die alltäg-
lichen Erfahrungen von Krieg und Ge-
walt in der Welt ein großes Vertrauen in
menschliche Friedenspotenziale vermit-
telt. Insgesamt wären die internationa-
len Begegnungen ein Buch Wert!
Schafft man es bei diesem Pensum
überhaupt noch, Kontakt in die Wis-
senschaft und zur eigenen Forschung
zu halten?
Sehr wenig. Ich habe schnell gemerkt,
wie unglaublich wichtig Kontinuität ist
und die Möglichkeit, eine Sache auch
über einen längeren Zeitraum zu verfol-
gen. Und diese Zeit hat man als Rektor
einfach nicht. Was mir persönlich außer-
dem fehlt, ist das Gespräch mit Studen-
ten, vor allem im Seminar. Das vermisse
ich wirklich.
Geben Sie deshalb das Rektoramt
jetzt auf?
Ich habe immer gesagt: Ich habe mal
einen Beruf gelernt und ich würde mich
freuen, den auch wieder ausüben zu
können. Denn es gibt durchausThemen,
die ich wirklich gerne auch mal aus analy-
tischer Distanz betrachten möchte.
Zum Beispiel?
Zum Beispiel habe ich mich immer
für Institutionentheorie interessiert und
habe bei der Etablierung der Hochschul-
räte in der Bundesrepublik die eine oder
andere Beobachtung gemacht, die mich
jetzt dazu reizt, das Ganze mal aus et-
was größerer Distanz zu betrachten und
zu reflektieren. Welche Mechanismen
wirken dabei, welche Vorbilder gab es
und wie haben sich diese Gremien mit
dem System Hochschule arrangiert,
das ja durchaus über robuste „Abwehr-
kräfte“ verfügt? Denn es müssen schon
kräftige Register gezogen werden, um
in einer Universität etwas Neues etab-
lieren zu wollen.
Das heißt, Sie werden zukünftig wie-
der als Hochschullehrer arbeiten?
Zunächst werde ich ein Sabbatical
nehmen und bis Ende dieses Jahres
eine ganze Reihe von Vorträgen halten.
Und wenn ich das abgearbeitet habe,
werde ich mich in Ruhe hinsetzen und
meine institutionstheoretischen Arbei-
ten wieder „ausgraben“. Und dann, nach
einem Jahr, schauen wir mal. Aber ich
habe schon vor, wieder in die Lehre und
Forschung einzusteigen und auch das
eine oder andere Projekt mit Kolleginnen
und Kollegen zu betreiben.
Worin unterscheidet sich denn die Ar-
beit des Politikwissenschaftlers Klaus
Dicke von der des Rektors?
Als Politikwissenschaftler gehen Sie
analytisch vor, da brauchen Sie eine ge-
wisse Distanz. Als Rektor aber müssen
Sie ad hoc Antworten geben. Das ist ein
ganz anderes Denken. Außerdem hat
man als Rektor, zugespitzt formuliert,
jede halbe Stunde ein anderes Thema
auf dem Tisch. Das können Sie als Wis-
senschaftler nicht machen. Als Wissen-
schaftler kann man durchaus an zwei
oder drei Dingen über längere Zeiträume
mehr oder weniger synchron arbeiten.
Als Rektor ist das undenkbar.
Was wird, wennWalter Rosenthal als
Präsident das Amt übernommen hat,
vom Rektor Klaus Dicke weiter wir-
ken?
Herr Rosenthal wird sicher einen an-
deren Stil haben als ich und das ist auch
gut so. Und er wird sicher auch andere
Schwerpunkte setzten und auch das ist
gut so. Ich hoffe aber, dass das Klima,
das an der Universität vorherrscht, von
dem ich mich immer bemüht habe, es
ein wenig aufzulockern und nicht ganz
so verbissen zu sein, bleibt. Denken
Sie beispielsweise an die Entwicklung
des Sommerfestes der Universität, das
inzwischen einen ganz wichtigen Stel-
lenwert hat. Wenn das so ein bisschen
weiterläuft, würde ich mich freuen.
Welche besonderen Herausforderun-
gen warten denn auf Ihren Nachfolger
und die Universität in der nächsten
Zeit?
Erstens muss der STEP umgesetzt
werden. Zweitens plant die Landesre-
gierung Änderungen in der Finanzierung
der Universitäten und das wird harte Ver-
handlungen mit sich bringen.
Inhaltlich denke ich, dass sich dieWei-
terentwicklung dessen, was sich in den
Lebenswissenschaften an der FSU ge-
tan hat, für ihn ein ganz großes Anliegen
sein wird. Da ist er fachlich einfach zu
Hause. Was mir nach wie vor ein wenig
Sorgen macht, ist die Frage, was aus
dem Laboratorium Aufklärung wird. Wie
kann man es so gestalten, dass es eine
schlagkräftige Angelegenheit bleibt? Da
ist einiges auf demWeg, meiner Ansicht
nach aber auch noch das eine oder an-
dere gestaltende Element notwendig.
Eine Herausforderung wird auch das
ganze Berufungsgeschäft bleiben, das
sich fundamental verändert hat, mit
Einführung der W-Besoldung, mit dem
Wegfall einer ganzen Reihe von Normen.
Ich glaube, damit ist ein Präsidentenamt
wirklich gut ausgefüllt.
Haben Sie sich schon Gedanken da-
rüber gemacht, wie der letzte Tag in
diesem Büro für Sie aussehen wird?
Ach, das wird sich zeigen. Ich rechne
aber damit, dass ich auch in den ersten
Wochen nach der Amtsübergabe das
eine oder andere hier machen werde.
Ich bin noch nicht aus der Welt. Aber
eins ist völlig klar, ich werde mich aus
allen Entscheidungen heraushalten und
die Universitätsleitung wird ab 16. Ok-
tober nicht mehr meine Angelegenheit
sein.
(Interview: Axel Burchardt und Ute
Schönfelder)
Souverän und humorvoll
Wie Ehefrau Colleen Michler Klaus Dicke sieht
Hinter jedem starken Mann steht eine
starke Frau.Trifft das auch auf Sie zu?
Stärke ist für mich ein relativer Begriff.
Duldsamkeit ist für mich ebenso Aus-
druck von Stärke wie Durchsetzungs-
kraft. Sich zwischen beidem situations-
bedingt richtig auszubalancieren, macht
erst Stärke aus – gelingt mir aber leider
nicht immer.
Was macht die Frau des scheidenden
Rektors?
Ich bin Architektin mit dem Arbeits-
schwerpunkt denkmalpflegerische und
ökologische Gebäudesanierung. In
unserem Dorf Oettern bin ich als eh-
renamtliche Bürgermeisterin aktiv, bin
Vorsitzende des Gemeindekirchenrates
und wirke in verschiedenen Gremien auf
landeskirchlicher Ebene mit.
Wie haben Sie Ihren Mann erlebt,
wenn er als Rektor auftrat? Unter-
scheidet sich der Rektor wesentlich
vom Ehemann?
Souverän, verbindlich, duldsam, rück-
sichtsvoll, engagiert und auf eine höchst
intelligente Weise humorvoll – genau
wie ich ihn als liebevollen Ehemann auch
erlebe. Das macht ihn wohl auch im Amt
so authentisch.
Sie haben viele Veranstaltungen an
der Universität selber erlebt. Welche
waren Ihnen am wichtigsten?
Auch für mich gehört das Universitäts-
Sommerfest zu den absoluten High-
lights. Hier präsentiert sich die Univer-
sität auf besondere Weise als offene,
fröhliche Bildungsstätte von erstem
Rang.
Sehr gut in Erinnerung ist mir das
Jubiläumsjahr 2008 mit vielfältigen Ver-
anstaltungen und dem wunderbar ge-
lungenen Fest der Coimbra Group. Und
mit Vergnügen besuchen mein Mann
und ich die „Langen Nächte der Wissen-
schaften“, es gibt jedes Mal wieder neue
interessante Felder der universitären
Forschung zu entdecken – und meine
Neugier ist hier nahezu grenzenlos.
Haben auch Sie die Universität ver-
ändert? Und hat die Universität Sie
verändert?
Ob ich die Universität verändert
habe, kann ich nicht beurteilen. Mögli-
cherweise positiv Einfluss genommen:
Wenn es gelingt, meinen Mann mor-
gens fröhlich und gut gelaunt auf den
Weg zu bringen, wirkt sich das vielleicht
positiv auf den Umgang miteinander im
universitären Umfeld aus. Und in ent-
spannter Atmosphäre werden bessere
Arbeitsergebnisse erzielt als in ange-
spannter. Inwiefern die Universität mich
verändert hat, sollten Sie eher meinen
Mann fragen.
Wie sehr hat Ihr Weinkeller gelitten?
Denn der Rektor hat einmal gesagt,
er habe beimVerfassen einer Rede ein
gutes GlasWein getrunken; und er hat
viele gute Reden gehalten…
Je nach Anlass und Schwierigkeits-
grad waren es wohl auch schon mal zwei
Gläser. Da mache ich mir eher Sorgen.
Dem Weinkeller jedenfalls ist das bes-
tens bekommen, durch die regelmäßi-
gen Besuche wird er immer gut belüftet.
Wie stellen Sie sich die gemeinsame
berufliche Zukunft vor? Werden Sie
Klaus Dicke nun stärker in die Kom-
munalpolitik von Oettern einbinden?
Die Zukunft stelle ich mir grundsätzlich
nur mit meinem Mann vor, alles andere
wäre sterbenslangweilig. Klaus ist schon
gut in die Kommunalpolitik von Oettern
eingebunden, weil ich ihn zu etlichen
Fragen konsultiere. Ob er darüber hinaus
eingebunden wird, hängt von den Oet-
terschen selbst ab. Da es in Oettern nie
Kandidaten, sondern nur Gewählte gibt,
die niemand vorher fragt, werden wir se-
hen. Ich selbst hoffe, dass beruflich alles
so bleibt wie es ist: Es gibt kaum etwas
Schöneres, als alten Mauern wieder Le-
ben einzuhauchen.
Die Fragen stellte Axel Burchardt.
Fortsetzung von
Seite 5
Ungewöhnlich:
RektorDickeim
historischenKarzer
derUniversitätJena.
Exakt100Jahrenach
demletztenregulä-
ren„akademischen
Sträfling“von1908,
nahmKlausDicke
2008füreinenFoto-
termininderfürdie
Öffentlichkeitnicht
zugänglichenArrest-
zellePlatz.
Foto:KasperColleenMichlerbeimdiesjährigenUniversitäts-Sommer-
fest.DiegebürtigeHamburgerinistseit1995mitKlausDicke
verheiratet.IhrenMannlerntesieinKielkennen.Dorthat
sievon1985bis1995imLandtagvonSchleswig-Holsteinbei
derPresse-undÖffentlichkeitsarbeitu.a.erlebt,wiedielan-
despolitischeDemokratiedurchdieBarschel-Affäreandie
Grenzengeführtwurde.IndieseZeitfielauchdieWende,das
„nochimmergrößteGeschenkderMenschenausderehe-
maligenDDRanunsWestdeutsche–dennvomWestenaus
hättenwirdieseEinheitniemalsherstellenkönnen.“
Foto:J.Scheere