Uni-Journal Jena Juli 2014 - page 15

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Uni-JournalJena07/14
Forschung
Liebe macht stark
Wie neurotische Menschen von einer Partnerschaft profitieren
Sehen ist eine Sache der Erfahrung
Wie sich das Gehirn an dieWahrnehmung von Buchstaben anpasst
Gerade jetzt im Sommer sind sie über-
all zu sehen: Frisch verliebte Pärchen,
die Hand in Hand auf „Wolke sieben“
schweben. Schon nach wenigen Wo-
chen verschwindet zwar der erste Ge-
fühlsrausch. Doch Liebe und Romantik
haben durchaus auch eine nachhaltige
Wirkung.
EmotionaleStabilität
DennPsychologen der Unis Jena und
Kassel habenherausgefunden, dasssich
eine romantische Beziehung im jungen
Erwachsenenalter positiv auf die Per-
sönlichkeitsentwicklung auswirkt. Das
berichten die Forscher im Fachmagazin
triertensichaufNeurotizismus–eineder
Eigenschaften, die Psychologen zu den
fünf Grunddimensionen der mensch-
lichen Persönlichkeit zählen. „Neuro-
tische Menschen sind eher ängstlich,
unsicher und schnell reizbar, sie neigen
zu Depressionen, haben häufig ein ge-
ringes Selbstwertgefühl und sind oft
unzufrieden mit dem Leben“, erklärt
Dr. Christine Finn. „Doch nun konnten
wir zeigen, dass
sie während einer
Liebesbeziehung
emotional stabiler
werden und sich
ihre Persönlichkeit
festigt“, sagt die
Psychologin.
Die Wissen-
schaftler haben
245 Paare neun
Monate lang be-
gleitet und die
Partner alle drei
Monate getrennt
voneinander be-
fragt. Mittels ei-
nes Online-Frage-
bogens mussten
die Studienteilnehmer fiktive Alltagssi-
tuationen und ihremögliche Bedeutung
für die eigene Partnerschaft bewerten.
„Neurotische Menschen verarbeiten
Umwelteinflüsse anders“, erklärt Finn.
So reagieren sie stärker auf negative
Reize und neigen dazu,mehrdeutigeSi-
tuationen negativ zu interpretieren.
Die Forscher stellten nun fest, dass
diese Tendenz während einer Liebes-
beziehung schrittweise abnimmt. Einer-
seits stärken sich die Partner gegensei-
tig. DochdieentscheidendeRolle spiele
die kognitive Ebene, sagt Psychologin
Finn. Die Liebe könne helfen, zuver-
sichtlicher durchs Leben zu gehen und
nicht mehr so schnell denTeufel an die
Wand zumalen. „UnsereUntersuchung
bestätigt: Negatives Denken lässt sich
abtrainieren!“ 
ch
Foto:Kasper
NeurotischeMen-
schenwerdenwäh-
rendeinerLiebesbe-
ziehungemotional
stabiler.
Kontakt:
Dr.ChristineFinn
Tel.:03641/945163
[alsoavailablein
Die Scheinwerfer – zwei Au-
gen, der Kühlergrill – ein lä-
chelnder Mund: So mancher
Autofront gibt unser Gehirn
von selbst ein Gesicht. „Ge-
sichter haben eine immens
große Bedeutung“, erläutert
Neurowissenschaftler Prof.
Dr. Gyula Kovács den Grund.
Daher habe sich unsere visu-
elle Wahrnehmung auf das
Erkennen vonGesichtern be-
sonders spezialisiert.
Bislang ging man davon
aus, dass es sich dabei um
eingesichtsspezifischesPhä-
nomenhandelt.WieProf. Ko-
vács und seine Kollegin Ma-
reikeGrotheer jedochkürzlich
im „The Journal of Neuroscience“ zei-
gen konnten, funktioniert dieser An-
passungsmechanismus auch bei der
Grund dafür ist die Plastizität des
Gehirns, durch die wir uns an Umwelt-
reize anpassen. Dieser Anpassungsme-
chanismus ist immer dann besonders
ausgeprägt, wennwir bestimmte Reize
erwarten. „Erfahrung modu-
liert unsere Sinneswahrneh-
mung“, sagt Kovács. Auch
beim Erkennen von Buch-
staben spielt Erfahrung eine
Rolle, schließlich treffen wir
praktisch überall in unserer
Umwelt auf Buchstaben: in
denMedien, im Straßenbild,
auf Alltagsgegenständen.
In der Studie wurden Pro-
banden Buchstabenreihen
gezeigt und gleichzeitigMRT-
Aufnahmen aufgezeichnet.
„Die Aufnahmen belegen,
dass sich die Hirnaktivität an
dieWahrnehmung der Buch-
staben anpasst“, so Kovács.
Allerdings nur, wenn es sich
um korrekte lateinische Schriftzeichen
handelt. In einer parallelen Versuchs-
reihe mit verfremdeten Buchstaben
konnten dieWissenschaftler keine ent-
sprechendeAdaptation feststellen. US
Kontakt:
Prof.Dr.Gyula
Kovács
Tel.:03641/945936
E-Mail:gyula.
Foto:Kasper
„Schmunzelnder“Traktor–OftsehenwirGesichter,woeseigentlich
garkeinegibt.
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