Uni-Journal Jena Juli 2014 - page 17

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Uni-JournalJena07/14
Forschungsprojekte
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Auf der Suche nach der flüchtigen Zeit
DFG-Schwerpunktprogramm zur Erforschung der Zeit gestartet
Nichts ist flüchtiger alsdieZeit. Unsicht-
bar ist sie, nicht zu greifen und doch
verrinnt sie unaufhaltsam. Zahlreiche
Wissenschaftler aus ganz Deutsch-
land wollen nun genauer untersuchen,
wie Zeitlichkeit in ihrer kulturellen und
historischen Vieldeutigkeit erfahrbar
gemacht und reflektiert wird. Die For-
schungsstelle Europäische Romantik
der Universität Jena ist ein Bestandteil
eines neuen geisteswissenschaftlichen
SchwerpunktprogrammsderDeutschen
Forschungsgemeinschaft (DFG).
Eigenzeiten von Lebewesen
„Bisheuteexistiert keineumfassende
undeinheitlicheZeittheorie, sondernein
Nebeneinander nicht voneinander ableit-
barer Zeitvorstellungen“, sagtDr.Helmut
Hühn von der Universität Jena. Der Li-
teraturwissenschaftler und Philosoph
gehörtmit demKunsthistoriker Prof. Dr.
ReinhardWegner zu den Initiatoren des
DFG-Schwerpunktprogramms „Ästheti-
scheEigenzeiten. Zeit undDarstellung in
einer polychronenModerne“. ImZentrum
der Forschungen stehen die Eigenzeit-
lichkeit der Dinge und Lebewesen und
die damit verbundene globale Pluralität
von Zeitlichkeiten.
„Wir wollen nicht zuletzt herausfin-
den, wie sich die heute herrschenden
Zeitordnungen herausgebildet haben“,
sagt ReinhardWegner. Das Phänomen
sei allgegenwärtig und werde auch
schon seit dem Ende des 18. Jahrhun-
derts diskutiert: Jeder Mensch habe
seine eigene Zeit und stehe vor dem
Problem, diese mit der Eigenzeit der
Mitmenschen zusynchronisieren.Dabei
komme es zu Konflikten, zu Reibungen
undVerlusten, unter denender Einzelne
und dieGesellschaft alsGanzes leiden.
DasSchwerpunktprogrammverknüpft
über die Zeitforschung auch die soziolo-
gische, philosophische, wissenschafts-
und ästhetikgeschichtlicheModernefor-
schung. Als Laufzeit sind sechs Jahre
vorgesehen. In der ersten Phase wur-
den 14 Projekte bewilligt; in Deutsch-
land, in der Schweiz und in Österreich
sind über 50Wissenschaftlerinnen und
Wissenschaftler beteiligt.DasNetzwerk
der Zeitforscherwird zunächst drei Jahre
lang von Prof. Dr. Michael Gamper von
der Universität Hannover geleitet. Da-
nachobliegendieLeitungundKoordina-
tionProf.Wegner in Jena.
ReinhardWegner wertet es als gro-
ßenErfolg für dieUniversität Jena, dass
die DFG ein solch großes Vorhaben in
den Geisteswissenschaften bewilligt
hat. Insgesamt werden über zehn Mil-
lionenEurodafür zurVerfügunggestellt.
Obwohl es sich um ein geisteswis-
senschaftliches Schwerpunktprogramm
handelt, schließe das keineswegs
Kooperationen mit den Naturwissen-
schaften aus, sagt Dr. Hühn. Über ge-
meinsame Problemstellungen sind die
Einzelprojekte fächerübergreifendmitei-
nander verbunden.
Zum Start des Schwerpunktpro-
gramms liegen die Ergebnisse eines
vorbereitenden DFG-Rundgesprächs in
Jena unter dem Titel „Erfahrungswan-
del. Zur ProblemgeschichtederVerzeitli-
chung amAnfang derModerne“ bereits
vor. Sie sind zusammengefasst in dem
Band„Zeit der Darstellung. Ästhetische
Eigenzeiten in Kunst, Literatur undWis-
senschaft“, denProf.Dr.MichaelGamper
und Dr. Helmut Hühn gemeinsam her-
ausgegeben haben. 
sl
DasDFG-Schwer-
punktprogrammwill
Zeitgreifbarmachen.
Kontakt:
Dr.HelmutHühn
Tel.:03641/931196
Foto:Günther
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