Uni-Journal Jena Juli 2014 - page 16

16
Uni-JournalJena07/14
Forschung
Evidenzdarstellung im Fokus
chaftlich ist derWissenschaftsjournalismus?
Ausgewogen und objektiv –mit diesem
Anspruch an ihre Berichterstattung prä-
sentierensichvieleWissenschaftsmaga-
zine imdeutschenFernsehen. Dochwie
sieht die Realität tatsächlich aus? Die
Forscher Lars Günther, Sabrina Heike
Kessler undGeorgRuhrmann vom Insti-
tut für Kommunikationswissenschaft ha-
benanhandsystematischer quantitativer
Inhaltsanalysen untersucht, wie Journa-
listen Beiträge zumThema „Molekulare
Medizin“ darstellen. Demnach lassen
sich inTV-Beiträgenvier sogenannteMe-
dienframes unterscheiden. Das schrei-
ben dieWissenschaftler im Fachmaga-
zin „Public Understanding of Science“
(DOI:
pus.
sagepub.com).
„IneinemerstenMusterwerdenhäu-
fig wissenschaftlich gesicherte Daten
ausgewogenpräsentiert“, erläutertStudi-
enleiterRuhrmann. Sowerdenbeispiels-
weise neu gefundene Gensequenzen
dargestellt und illustriert. Ganz anders
sieht es aus, wenn es etwa um Fragen
der Stammzellenforschung geht: Dann
werden nicht nur wissenschaftliche Un-
sicherheit, sondern auch die möglichen
Risiken dargestellt, haben die Forscher
beobachtet.
Der dritte im TV rekonstruierbare
Frame zeigt dasThemaMolekulareMe-
dizin aus der Sicht von Ärzten und Pa-
tienten. „Dabei dominieren persönliche
Erfahrungen, negativeBewertungenund
Risikobehauptungen“, sagt LarsGünther
und verweist beispielhaft auf einen Be-
richt überAlzheimer-Erkrankungen. Eine
betroffenePatientin kommt zuWort und
beklagt, wie aussichtlos die Forschung
sei. Schließlich präsentiert ein vierter
Frame, wieWissenschaftler selbst die
wissenschaftliche Evidenz diskutie-
ren. Wissenschaftliche Unsicherheiten
werden nicht umstandslos mit Risiken
gleichgesetzt. Ein Beispiel ist hier die
Anwendung der Nanotechnologie in der
Krebsforschung.
Warum Journalisten wissenschaftli-
cheThemen so unterschiedlich präsen-
tieren, haben die Kommunikationswis-
senschaftler in einer weiteren Studie
untersucht und im „Journal of Science
Communication“
/)
publiziert. Das Resultat: Das eigene
Rollenbild als „neutraler Informations-
vermittler“, persönliche Interessen, aber
auch die Erzählbarkeit und Visualisier-
barkeit beeinflussen, ob und wie Jour-
nalisten einThema vermitteln. „Zudem
zeigtesich, dass inderBerichterstattung
wissenschaftliche Unsicherheit oft mit
Risiken,wissenschaftlicheSicherheit da-
gegen mit Nutzen und Chancen gleich­
gesetzt werden“, ergänzt Sabrina Heike
Kessler.
„WennWissenschaftsjournalisten fra-
gileEvidenzdarstellen,möchtensieu. a.
ihr Publikum für Kritiksensibilisieren“, so
Ruhrmanns Fazit. Es gäbe andererseits
auchJournalisten, dieForschungsergeb-
nissegenuinalssicher darstellen, um ihr
Publikum nicht zu verunsichern. 
US
Die süßeste Rechenmaschine derWelt
Chemiker lassen fluoreszierende Zuckersensoren „rechnen“
Jenaer Chemiker haben die „süßeste
Rechenmaschine derWelt“ entwickelt:
Sie nutzen Zuckermoleküle, um in einer
chemischen Plattform Informationen zu
verarbeiten. Das berichten Prof. Dr. Ale-
xander Schiller und seine beidenDokto-
randenMartinElstner und JörgAxthelm
in der Zeitschrift „Angewandte Chemie
Wie ineinemkonventionellenCompu-
terchipwerden auch in der chemischen
Rechenmaschine die zwei möglichen
Signale „0“ und „1“ mittels logischer
Gatter miteinander verknüpft. Dazu
nutzen die Chemiker sowohl einen flu-
oreszierenden Farbstoff als auch einen
sogenannten Fluoreszenzlöscher. „Lie-
gen beide Komponenten vor, kann der
Farbstoff seineWirkung nicht entfalten
und wir sehen kein Fluoreszenzsignal“,
soSchiller. Kommen jedochZuckermole-
küle ins Spiel, reagiert der Fluoreszenz-
löscher mit dem Zucker und verliert so
seine Fähigkeit, das Fluoreszenzsignal
zuunterdrücken,wasdenFarbstoff zum
Fluoreszieren bringt. Je nachdem ob
Farbstoff, Fluoreszenzlöscher und Zu-
cker alsSignalgeber vorliegen, resultiert
ein Fluoreszenzsignal – „1“ – oder kein
Signal –„0“.
„In unseremRechner verknüpfenwir
nun chemische Reaktionen mit Com-
puteralgorithmen, um komplexe Infor-
mationen zu verarbeiten“, sagt Martin
Elstner. Dabei werden dieSignale nicht,
wie im Computer in einen Stromfluss,
sondern ineinenMaterieflussübersetzt
und verarbeitet.
Dass ihrechemischeRechenplattform
funktioniert, haben die Forscher in der
vorliegenden Studie demonstriert. „Un-
ser Ziel ist esaber nicht, einechemische
Konkurrenz zu gängigenComputerchips
zu entwickeln“, stellt Schiller klar. Eher
sieht der Chemiker die Einsatzmöglich-
keiten der Rechenplattform im Bereich
dermedizinischenDiagnostik. So sei es
beispielsweise denkbar, die chemische
Analyse mehrerer Parameter aus Blut-
oder Urinproben über diemolekularlogi-
schePlattform zueiner finalenDiagnose
zu verknüpfen und damit Therapieent-
scheidungen zu ermöglichen. 
US
DieRezeptionvon
TV-Beiträgentesten
mitHilfedes„Eye-
Trackings“Prof.Dr.
GeorgRuhrmann,
SabrinaHeikeKess-
lerundLarsGünther
(v.r.).
Kontakt:
ProfDr.GeorgRuhr-
mann
Tel.:03641/944930
Foto:Kasper
Foto:Kasper
Auchsokönnteein
Zucker-Computer
aussehen.
Kontakt:
Prof.Dr.Alexander
Schiller
Tel.:03641/948113
1...,6,7,8,9,10,11,12,13,14,15 17,18,19,20,21,22,23,24,25,26,...52
Powered by FlippingBook